: Die Multis warten schon in der Kulisse
Vorläufige Rettung für den konkursgefährdeten dänischen Windradhersteller NEG-Micon. Trotzdem droht dem vorjährigen „Börsenkometen“ der Ökobranche weiter der Absturz ■ Aus Kopenhagen Reinhard Wolff
Beim dänischen Windradhersteller NEG-Micon atmet man erst einmal auf und durch. Im letzten Moment haben die Großaktionäre Schouw-Konzern und einige dänische Pensionsfonds das Unternehmen vor dem Gang zum Konkursrichter bewahrt, indem sie noch einmal 500 Millionen Kronen (rund 125 Millionen Mark) lockergemacht haben – damit kann das Grundkapital erst einmal wieder hergestellt werden. Preis: Die halbe Geschäftsführung wurde ausgewechselt, einigen hundert der bislang 1.500 Beschäftigten droht die Kündigung.
NEG-Micon ist nicht nur Weltmarktführer, sondern gehört auch zu den 20 Unternehmen, die die Stiftung Öko-Invest im Natur-Aktienindex (NAX) wichtiger ökologischer Vorzeigefirmen aufführt.
Der Windradbauer, der beinahe ein Viertel des Weltmarkts abdeckt, war erst vor wenigen Wochen in die existenzgefährdende Krise geschlittert. Hintergrund waren Einbrüche auf dem wichtigen US-Exportmarkt, aber auch millionenschwere Schadensersatzforderungen wegen nicht eingehaltener Lieferfristen und vor allem wegen fehlerhafter Getriebeteile. Dass bei NEG-Micon nicht alles zum Besten steht, zeichnete sich erstmals Mitte August ab, als die Halbjahresbilanz nur noch ein Eigenkapital von umgerechnet 120 Millionen Mark. Das ist auch in dieser chronisch unterkapitalisierten Branche ein auffallend dünnes Polster – und es hielt auch nicht lange.
Nachdem die Konzernleitung den Aktionären vor zwei Wochen gestehen musste, dass das gesamte Grundkapital verbraucht war, stürzte die NEG-Micon-Aktie von einem Kurs von 250 auf 75 Kronen, bevor die Börsenleitung den Handel ganz aussetzte. Binnen einer Stunde hatten sich knapp 500 Millionen Mark in Luft aufgelöst. Auch dem NAX verschaffte dies einen historischen Monatsverlust.
Unkontrolliertes Wachstum und eine zu kurze Kapitaldecke sind für den Aktienanalytiker John Christensen die Ursachen für die Probleme des Unternehmens, das noch im vergangenen Jahr als Börsenkomet galt.
Seit 1997 hatte NEG-Micon acht Konkurrenten aufgekauft und die Beschäftigtenzahl mehr als verdreifacht. Gleichzeitig begegnete man der wachsenden Konkurrenz mit einer immer breiteren Angebotspalette und wachsender Quantität. Es sieht so aus, als sei dabei die Qualität vernachlässigt worden: Die Halbjahresbilanz wies Kosten in Höhe eines Halbjahresgewinns für Getriebereparaturen während der Garantiezeiten auf. Offenbar haben die Produktionsfehler ganze Serien betroffen. Viel Kapital wurde auch dadurch gebunden, dass NEG-Micon in den USA mit eigenem Geld Windanlagen vorfinanzierte, für die sich dann keine Käufer fanden.
Teil der Rettungsaktion ist deshalb ein Schadensersatzübereinkommen mit dem Lieferanten der fehlerhaften Getriebe, der deutschen Firma Flender, die zum Babcock-Borsig-Konzern gehört und der man bei NEG-Micon wesentliche Schuld an den Qualitätsproblemen gibt.
Trotzdem werden die Garantieleistungen das Geschäftsergebnis in den nächsten Jahren ebenso weiter belasten wie Minimumsproduktionsgarantien, die in der Branche üblich sind, mit denen man aber offenbar in den USA etwas zu großzügig umging.
In Dänemark zeigt man sich deswegen skeptisch, was den Ausgang der Rettungsaktion angeht: Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Großkonzerne wie Siemens, ABB oder General Electric bereits in den Kulissen warten, um bei nächstbester Gelegenheit NEG-Micon zu schlucken. Der Windanlagenmarkt mit erwarteten jährlichen Zuwachsraten von 20 bis 25 Prozent gilt als so zukunftsträchtig, so der Börsenanalytiker Henrik Breum in der Tageszeitung Jyllands-Posten, „dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis multinationale Konzerne zuschlagen“.
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