: Fischers Liste
Geplante Positivliste verärgert die HeilpraktikerInnen: Sie befürchten eine Ausgrenzung ■ Von Ulrike Winkelmann
„Positivliste“, „Globalbudget“, „Risikoselektionen“: Das Vokabular, mit dem Ärzteschaft, Krankenkassen und Politik sich derzeit über die Gesundheitsreform streiten, verstellt medizinischen Laien den Aus- und Überblick in der Debatte. Dabei ist im Entwurf des Gesetzes, das die grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer zum 1.1.2000 in Kraft treten lassen möchte, die „Erweiterung von Patientenrechten und Patientenschutz“ ausdrücklich enthalten.
Der Ausbau des Patientenschutzes etwa durch verbesserte Beratungsmöglichkeiten ist einer der Punkte, der auch bei den Oppositionellen des Gesundheitsbetriebs Anerkennung findet. Andere Maßnahmen, kritisiert Norbert Schnorbach, Sprecher der alternativmedizinisch ausgerichteten Krankenkasse securvita mit Sitz in Hamburg, „greifen einfach zu kurz“.
Zum Beispiel die Sache mit der Positivliste: Innerhalb der nächsten drei Jahre will das Gesundheitsministerium eine Liste der nachgewiesenermaßen wirksamen, „verordnungsfähigen“ Medikamente zusammenstellen. Ärzte sollen darauf verpflichtet werden, nur noch gemäß dieser Positivliste zu verschreiben. „Zu dirigistisch“, urteilt Schnorbach. „Den Ärzten muss ihre Therapiefreiheit gelassen werden.“
Die Zwangsverschreibungsliste werde vornehmlich von Schulmedizinern zusammengestellt. „Die Möglichkeit, zwei getrennte Listen für einerseits schulmedizinische und andererseits naturheilkundliche Listen aufzustellen, hat die Regierung verspielt“, sagt Schnorbach. Die securvita will nun der Gesundheitsministerin zuvorkommen und eine eigene Positivliste mit naturheilkundlichen Mitteln zusammenstellen, „um den Ärzten eine Hilfestellung zu geben.“
Von anderer Seite werden Arzneimittel-Listen grundsätzlich in Frage gestellt. Die Heilpraktiker, deren Leistungen über die gesetzlichen Kassen gar nicht, sondern nur privat abgerechnet werden können, „finden die Positivliste katastrophal“, sagt Renate Rathmann, Hamburger Sprecherin des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker. „Sie nützt nur den Monopolisten auf dem Arzneimittelmarkt und hilft niemandem.“
Denn auch die Privatkassen würden sich in Zukunft nach der schulmedizinischen Positivliste ausrichten. „Das heißt, dass unsere Patienten die von der Liste verbannten Mittel selbst bezahlen müssen.“ Alternative Arzneimittel würden so immer weiter ausgegrenzt und nur für wenige bezahlbar.
Ob mit oder ohne Positivliste – die Naturheilkunde ist auch bei den gesetzlichen Kassen auf dem Vormarsch. In einem Modellversuch lässt zum Beispiel die IKK Hamburg jetzt auch homöopathische und anthroposohische Therapien, Akupunktur und Neuraltherapie abrechnen. Eine Auswertung des Versuchs wird erst in über zwei Jahren erwartet; gleichwohl weiss IKK-Vorstandsvorsitzender Axel Dilschmann jetzt schon zu berichten: „Naturheilverfahren sind bisweilen nicht nur wirkungsvoller, sondern auch preiswerter.“
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