piwik no script img

Unterm Strich

Investigative Journalisten und kritische Schriftsteller leben gefährlich, fast überall auf der Welt. Die neuen Zahlen des internationalen Schriftstellerverbands PEN zeigen die aktuellen Schwerpunkte der Verfolgung. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind weltweit 34 Journalisten und Autoren ermordet worden, das gab der PEN am Rande der Frankfurter Buchmesse bekannt. Das sind freilich nur die bekannt gewordenen Fälle, die Dunkelziffer dürfte rund zehnmal höher liegen, schätzt die Beauftragte des „Writers in Prison“-Komitees des PEN, Elsbeth Wolfheim. 22 weitere Journalisten und Autoren gelten derzeit als vermisst, fünf wurden entführt und 164 zu Haftstrafen verurteilt.

Die beklagten Todesfälle konzentrieren sich auf kein bestimmtes Land, aber bei den Verhaftungen führend waren dem PEN zufolge zuletzt China, Iran und die Türkei. Zwar sind in allen drei Ländern in jüngster Zeit einige Schriftsteller entlassen worden, doch dem stehen weitere neue Verhaftungen gegenüber. Erstmals unterstützt das PEN-Zentrum in diesem Jahr fünf Schriftsteller, darunter zwei Kurden und ein Algerier, die in Deutschland im Exil leben, mit finanziellen Mitteln des Bundes. Das „Writers in Prison“-Komitee wurde 1960 gegründet und unterstützt verfolgte Verleger und Autoren weltweit – sofern sie nicht selbst zur Gewalt aufgerufen oder Gewalt angewendet haben.

Auch Musiker geraten manchmal in Bedrängnis. Im Libanon ist der populäre Sänger Marcel Khalife ins Visier von islamischen Fundamentalisten geraten, weil er, so der Vorwurf, angeblich koranische Verse in seinen Songs zitiert haben soll. Ein Fall von Blasphemie für die schriftgläubigen islamischen Autoritäten des Landes, die sich mit einem religiösen Rechtsgutachten, einer Fatwa, dazu äußern wollen. Mehr als 30 Intellektuelle aus verschiedenen arabischen Ländern haben sich mittels einer Petition mit Marcel Khalife solidarisiert, um ihn vor drohenden Repressionen zu schützen.

Nicht verfolgt wurde dagegen der Musiker Ulli Günther – höchstens von Fans, aber das ist auch schon lange her. Der 57-jährige Sänger der 60er-Jahre-Kapelle The Lords, die einst als „deutsche Antwort auf die Beatles“ gehandelt wurden, starb am Mittwoch an den Folgen eines Schädelbruchs, den er sich beim Sturz von der Bühne zugezogen hatte. Mit dem Konzert in Potsdam wollte die Beat-Band aus Berlin ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum feiern, doch dann passierte der Unfall. In den Sechzigern hatten die Lords ein paar Hits, und nach einer fünfjährigen Trennung hielt man sich als Oldie-Kapelle wieder gemeinsam über Wasser. Nun sind die Rest-Lords ratlos, ob sie ohne ihren langjährigen Vormann weitermachen sollen: „Wir warten mal ab, was sein Vermächtnis ist, und dem beugen wir uns.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen