: Verfressen, aber gesund ohne Antibiotika
■ Dänische Hähnchen bekommen keine chemische Keule mehr – schaden tut es nicht
Kopenhagen (taz) – Eineinhalb Jahre ohne Antibiotika-Zusatz im Futter – und nichts ist passiert. Diese für sie selbst überraschende Bilanz hat die Branche der dänischen Geflügelzüchter in dieser Woche in einer ersten Auswertung des Antibiotika-Verbots gezogen.
Der Abschied von der Antibiotika-Fütterung, den der Gesetzgeber im Februar letzten Jahres unter heftigstem Widerstand der Branche, die Millionen toter Küken vorhersagte, verordnete, hat sich als ausgesprochen gelungen herausgestellt. Die 50 Millionen Enten-, Gänse- und Hühnerküken, die seither die Eierschalen geknackt haben, blieben in ihrem kurzen Leben so munter wie ihre antiobiotikabefütterten Vorgänger und wuchsen mit exakt gleicher Geschwindigkeit. Einziger Unterschied: Sie entwickelten mehr Appetit. Doch diese Futterkosten spart die Branche durch Wegfall der Medizinkosten wieder ein.
Statt 1.500 Kilo wie 1997 mischte beispielsweise der größte Hähnchenproduzenten Danpo A/S im vergangenen Jahr nur noch 24 Kilo Antibiotika unter das Futter. Und auch diese nur gezielt zur Behandlung von Krankheiten. „Das Resultat lag jenseits aller unserer Erwartungen, wir hatten mit einem viel höheren Bedarf gerechnet“, erklärt sich der Vorsitzende der Federviehbranchenorganisation, Jens-Peter Rönholt. Die Freude teilt er mit dem Konsumentenverband, eine der Gruppen, die jahrelang für die Gesetzesänderung gekämpft hatte. Kirsten Nielsen, Vorsitzender des Verbraucherrats: „Jetzt kann plötzlich niemand mehr verstehen, warum das nicht schon vor vielen Jahren hätte möglich sein können.“
Aus den Kälberställen ist zu Beginn des Jahres der routinemäßige Antibiotika-Zusatz ebenfalls verschwunden, ohne dass bislang negative Auswirkungen gemeldet wurden. Und zum Jahreswechsel dürfen auch alle Schweine auf die Zwangsmedizinierung verzichten.
Niels Tornö, Veterinär bei Danpo A/S, kann im Nachhinein nicht mehr verstehen, warum die Branche jahrelang Widerstand gegen den Antibiotika-Stopp lief: „Wir wurden alle überrascht. Wir konnten die Zusätze einfach weglassen, ohne dass es Auswirkungen hatte.“ Frank Aarestrup vom staatlichen tierärztlichen Serumlaboratorium glaubt, dass die Federviehbranche jahrlang die Notwendigkeit von Antibiotika-Zusätzen überbewertet hat, nur weil sie sich an sie gewöhnt hatte. Nielsen hofft jetzt, dass Landwirtschaftsminister Henrik Dam Kristensen den frischen Rapport gleich beim nächsten Flug nach Brüssel mit in seinen Aktenkoffer legt. „Jetzt kann er bei der EU schwarz auf weiß nachweisen, dass so etwas möglich ist. Das ist ein wesentlich besserer Ausgangspunkt, als wir ihn bislang beim Kampf gegen Antibiotika-Zusätze hatten.“ Reinhard Wolff
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