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Damit ist die G'schicht erledigt“

Nach dem 3:1 gegen Hertha BSC suspendiert Bayern München seine notorischen Nachtschwärmer Sven Scheuer und Mario Basler    ■ Aus der Weißbiermetropole Thomas Becker

Fußball ist anders. Wo, außer in der Branche der Balltreter, behauptet ein soeben vom Dienst suspendierter Arbeitnehmer vor gut drei Dutzend Journalisten, also einem Millionenpublikum, er habe nichts getan, „keine Schlägerei oder sonst etwas gehabt“, aber trotzdem „ein bisschen gehofft, fristlos gekündigt zu werden“. Genau, das kann nur die Logik von Mario Basler sein, dem lustigen Teilzeitkicker des FC Bayern München, dem Gaudibursch mit der großen Klappe, ehedem Super-Mario und Torschütze des Monats, letzthin eher auffällig als bekennender Weißbiertrinker und Wiederholungstäter in der Disziplin „Wie benehme ich mich daneben, aber ordentlich“.

Nachts um drei hatten er und der ebenfalls im Reha-Training befindliche Sven Scheuer, seit elf Jahren Ersatz- oder Ersatzersatztorwart beim FCB, vergangene Woche in einer Regensburger Pizzeria eine Unterhaltung mit Polizeibeamten, nachdem es dort zu einer Rauferei einiger Betrunkener gekommen war. Wer genau wen wie fest gehauen hat, ist noch nicht ganz klar, aber auch egal: Seit Samstagnachmittag sind die zwei notorischsten Nachtschwärmer der Liga auf Jobsuche. „Wegen wiederholten Verstößen gegen die Pflichten eines Lizenzspielers hat das Präsidium des FC Bayern entschieden, Sven Scheuer und Mario Basler vom Spielbetrieb zu suspendieren. Beide müssen weiterhin am Trainingsbetrieb teilnehmen. Der FC Bayern legt beiden Spielern nahe, sich umgehend einen neuen Verein zu suchen.“ So sprach's der Kaiser Franz, oberster aller Fußball-Bayern, nach dem Hertha-Spiel und legte in der ihm eigenen jovialen Art nach: „Damit ist die G'schicht erledigt. Bitte nicht weiter nachfragen, ich muss mich nämlich jetzt wieder um die WM kümmern. Ein schönes Wochenende noch.“

Tatsächlich gab der Kaiser in seiner Verkündigung nur noch einen einzigen Laut von sich: ein genervtes, sehr bayerisches „Naaa“. Uli Hoeneß war da schon mitteilsamer. „Der Mario hat sein Privatleben ja nie so im Griff gehabt, wie es sich für einen Profispieler gehört. Als Mensch mag ich ihn richtig gern. Aber das ist auch nur die Spitze des Eisbergs, was wir jetzt sehen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Jetzt ist er gebrochen.“ Trainer Hitzfeld sagte, er trage die „einstimmige und hundertprozentige Entscheidung des Präsidiums“ (Hoeneß) mit. Bei der Suspendierung sei es „nur um das Ansehen des Vereins“ gegangen.

Und Basler selbst? Er gab sich vor den Kameras gewohnt trotzig. „Ich haben einen Vertrag bis 30. 6. 2000, und den werde ich erfüllen. Der FC Bayern wird für mich in jedem Fall keine Ablöse bekommen.“ Auch vom fröhlichen „Servus“ des vorbeieilenden Franz Beckenbauers ließ er sich nicht unterbrechen: „Nur wenn ein Verein keine Ablöse zahlen müsste, könnte ich mir einen vorzeitigen Wechsel vorstellen.“ Zu Atlético Madrid vielleicht? Bernd Schuster, ein anderes Enfant terrible des deutschen Fußballs, ist Berater der Spanier und kann sich Basler gut im Atlético-Dress vorstellen. Der Vereinspräsident Gil de Gil dürfte für Basler so etwas wie ein Bruder im Geiste werden: Er prügelt sich auch mal ab und zu, gerne auch in der Öffentlichkeit. Uli Hoeneß hätte nichts gegen den Wechsel einzuwenden: „Wir werden dem Interessenten schon entgegenkommen. Ich hoffe, dass es schnell geht.“ Will sagen: Hauptsache der Quälgeist ist weg, egal für welche Ablöse.

Und dann jubeln auch noch die Fans, als Beckenbauer den Rausschmiss verkündet. Da möchte man ja fast Mitleid bekommen mit dem armen Mario. Klappt nur nicht so recht. Bei Thomas Helmer schon. Der findet Basler „einen aufrechten Kerl mit einem tollen rechten Fuß“. Fehlt nur noch der Aufnahmeantrag: für den Club der Geschassten, der vom FC Bayern unrühmlich Abgeschobenen. Gemeinsames Leid verbindet halt, sogar so unterschiedliche Charaktere wie die Helmers und Baslers. Drei Jahre Bundesliga im rotblauen Trikot, 78 Spiele, 18 Tore – die endgültige Bilanz des Mario Basler beim FC Bayern München.

Nur einer war sauer, dass sich an diesem Tag alles um Super-Mario und die Pizza-Affäre drehte: Lothar Matthäus. Der wollte tatsächlich über das Spiel reden. Der FC Bayern gewann übrigens, 3:1. Ein schönes Spiel, ausverkauftes Stadion, tolle Tore, gute Stimmung. Aber manchmal ist Fußball einfach anders. Und Mario sagte noch: „Um meine Zukunft mache ich mir keine Gedanken.“

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