: Die Briten rüsten zur Schlacht um Europa
■ Es ist paradox, doch die Reformpläne nützen den Gegnern der EU. Denn die Tories hatten stets vor weiterer Zentralisierung gewarnt
Das Aufgebot hatte es in sich. Ein Labour-Premier, ein früherer Tory-Vizepremier, der Vorsitzende der Liberaldemokraten, weitere Politiker und führende Wirtschaftsvertreter setzten sich am vergangenen Donnerstag auf die Bühne eines Londoner Kinos und präsentierten die überparteiliche Kampagne „Britain in Europe“. Ursprünglich als Euro-Fanclub geplant, musste man zwar Tony Blair zuliebe den Enthusiasmus für die europäische Währung zurückstellen und stattdessen die Zuhörer ganz allgemein für die EU begeistern. Doch umso inbrünstiger konnte Blair trompeten: „Einmal in jeder Generation muß das Plädoyer für ein Großbritannien in Europa gehalten werden. Für diese Generation ist der Zeitpunkt jetzt gekommen.“
Blairs „Volksfront“ für Europa kam eine Woche, nachdem die oppositionellen Konservativen auf ihrem Parteitag in Blackpool die EU-feindlichste Politik ihrer Geschichte beschlossen hatten. Tory-Chef William Hague kündigte an, als Premierminister die Römischen Verträge neu verhandeln zu wollen. Mit diesem Vertragswerk war 1958 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet worden, der Großbritannien 1973 beitrat. Ansonsten, so drohte Hague, werde ein von ihm regiertes Großbritannien die EU-Institutionen blockieren. Dies jedoch würde praktisch den Austritt des Landes aus der EU bedeuten.
Das Verhältnis der britischen Insel zum europäischen Kontinent war in der britischen Politik schon immer das Thema, das unterschwellige Freund- und Feindschaften jenseits aller Parteigrenzen definierte. Und heute, wo die beiden großen Parteien des Landes ideologisch weniger unterscheidet als je zuvor, ist Europa der einzige Streitpunkt, der eine klare Front erlaubt. Der Graben an dieser Front wird immer unüberbrückbarer. Er hat sich von Differenzen über die Währungsunion zu einem erbitterten Disput über Sinn und Unsinn der EU überhaupt vertieft. Waren die Konservativen als Regierungspartei noch unmißverständliche Freunde der EU, sind sie jetzt fast ebenso unmißverständlich ihre Feinde.
Tony Blair hält dies für ein Gottesgeschenk. Da die Tories sich seiner Meinung nach damit freiwillig in die rechtsnationalistische Schmuddelecke setzen, müssten alle britischen Europhilen bei den nächsten Wahlen Labour wählen. Das war der tiefere Sinn seiner überparteilichen Kinoparade am jenem Donnerstag.
Ganz richtig liegt er damit jedoch nicht. Seit die Konservativen ihre Haltung zur EU radikalisiert haben, ist der Prozentsatz ihrer potenziellen Wähler einer Meinungsumfrage zufolge von 25 auf 31 Prozent hochgeschnellt – zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren. In einer anderen Umfrage sprechen sich sogar 41 Prozent der Befragten für den britischen Austritt aus der EU aus. Den Beitritt zum Euro will ohnehin nur eine verschwindend geringe Minderheit der Briten.
Und die neuen Integrationsvorschläge aus der EU-Kommission, die kurz auf die Proklamation einer EU-Innenpolitik im finnischen Tampere kommen, geben den EU-Skeptikern in Großbritannien recht. Sie sind zugleich ein Schlag ins Gesicht des linken Tory-Flügels, der immer sagt, Gerüchte über eine weitere Zentralisierung der EU seien böse Propaganda.
Langfristig hofft die Tory-Führung, Labour als die Partei zu outen, die die Nation an Brüssel verkauft. Dann könnten die Konservativen als Retter des Vaterlandes auftreten. Hague kündigte Ende letzter Woche bereits eine „Schlacht um das Pfund“ an. Die letzten Europawahlen im Juni hatten die Tories mit dieser Haltung gewonnen. Dominic Johnson
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