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Veto für Europas Neinsager

■  Umfassende Reform der Europäischen Union gefordert: Das Vetorecht für einzelne Staaten soll fallen, die demokratischen Rechte gestärkt werden. Experten empfehlen radikale Verkleinerung der EU-Kommission

Brüssel (taz) – Soll die EU nach der Erweiterung nicht an ihrer eigenen Schwerfälligkeit ersticken, müssen ihre Entscheidungsstrukturen kräftig reformiert werden. Am Montag stellte ein Expertengremium von drei Elder Statesmen in Brüssel weitgehende Vorschläge für eine solche Reform vor. Ihre wichtigste Empfehlung: Das Vetorecht soll fallen. Denn ein erweiterter Ministerrat würde sich nach Ansicht der so genannten DreiWeisen mit dem Einstimmigkeitsprinzip komplett lähmen. Auch sollen sowohl das Europäische Parlament als auch der Kommissionspräsident gestärkt werden.

Der belgische Ex-Ministerpräsident Jean-Luc Dehaene, der englische Manager und Ex-Minister David Simon und Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker waren vor zwei Monaten von Romano Prodi beauftragt worden, Anregungen für eine Strukturreform der Union auszuarbeiten. Die EU-Reform soll im kommenden Jahr in Angriff genommen und Ende des Jahres unter französischer Präsidentschaft abgeschlossen werden.

Die Erfahrung der letzten zehn Jahre, besonders aber der Balkankrieg zeigten, dass eine handlungsfähige Gemeinschaft geschaffen werden müsse, die zusätzliche Mitglieder verkraften könne. Die Weisen raten dazu, angesichts der Dynamik des Erweiterungsprozesses auf die ursprünglich geplante zweistufige Reform (für ein Europa von bis zu 20 Mitgliedern und in einem zweiten Schritt mehr als 20 Mitgliedern) zu verzichten. Vielmehr sollten alle wichtigen Änderungen gleichzeitig in Angriff genommen werden.

Eine kleinere und effektivere Kommission, in die nicht mehr jedes Land mindestens einen Vertreter entsendet, halten die drei erfahrenen Ex-Politiker aber für politisch nicht durchsetzbar. Sie fordern deshalb, die Richtlinienkompetenz des Kommissionspräsidenten stark auszubauen.

Neben einer neuen Stimmengewichtung im Ministerrat wird mehr parlamentarische Mitsprache bei Ratsentscheidungen gefordert. Außerdem regen die Weisen an, zukünftige EU-Vertragstexte in zwei Teile zu gliedern: Ein verfassungsähnliches Herzstück soll nur einstimmig geändert werden können und möglichst so lange Bestand haben wie die Römischen Verträge. Die übrigen Rechtsvorschriften sollen regelmäßig aktualisiert werden. Sollte dieser Vorschlag Wirklichkeit werden, hätte die Union eine Verfassung und ein Gesetzbuch – wie ein normaler Staat. Daniela Weingärtner

Tagesthema Seite 3

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