: Thorfestival der großen Minis
Mit dem 0:3 gegen das nor-we-gi-sche Klasse-Team von Ro-sen-borg Trond-heim erringt Borussia Dortmund eine schmeichelhafte 0:3-Niederlage ■ Von Ulrich Hesse-Lichtenberger
Dortmund (taz) – Früher, als Franz Beckenbauer und sein Stichwortgeber Günter Jauch noch von der Champions League berichten durften, da wirkten sie manchmal wie Figuren aus einem der großen unterschätzten Werke der Weltliteratur: „Asterix und die Normannen“. Von Zeit zu Zeit sagte Jauch dann lauernd: „Jetzt kommen wir zu Franz Beckenbauers Lieblingsmannschaft.“ Dabei grinste er schon voller Vorfreude auf des Kaisers zuckende Mundwinkel, bevor er hinzufügte: „Dem nor-we-gischen Meister Ro-sen-borg Trond-heim!“
Und dann feixten die beiden Spaßmacher und sahen dabei aus wie Obelix, wenn er sich prustend in den Dünen wälzt, weil er die Namen, das Aussehen und die Gebräuche der eben in Gallien gelandeten Nordmänner so wahnsinnig komisch findet.
Schöne Zeiten waren das, irgendwie. Seit Dienstagabend lacht bei Borussia Dortmund niemand mehr über „den norwegischen Meister“, der den Tabellenführer der Bundesliga aus dem Westfalenstadion kegelte, als habe es sich bei diesem Spiel nicht um eine Begegnung in der Champions League gehandelt, sondern um einen kühlen Ligakick, etwa gegen Stabaek IF.
Gegen Stabaek hatte Trondheim noch am Wochenende 0:2 verloren, gegen den BVB gab es dagegen einen sicheren 3:0 Sieg. Sozusagen ein Thorfestival.
Doch genug der Klischees, denn die hat Rosenborg nicht verdient. Es waren nicht etwa die vier nordischen Abwehrhünen, die das Spiel gegen die Borussia gewannen, auch nicht das von der gesamten Dortmunder Elf panisch gefürchtete Kraftpaket Rod Carew im Sturm. Nein, das Herz der Trondheimer Mannschaft bestand aus der Viererbande Berg, Sörensen, Jakobsen und Winsens, und dass einer von ihnen sich „Mini“ nennt, kann hier als Programm verstanden werden. Dieses Quartett kombinierte so lange so ballsicher zwischen Mittellinie und Dortmunder Strafraum, bis die Zuschauer fast glaubten, Fluminense oder der FC Santos seien im Westfalenstadion zu Gast.
Natürlich nahmen es auch zwei dieser vier auf sich, für die Tore zu sorgen: Sörensen traf zum 0:1 (17.) und versenkte dann einen schicken Freistoß (58.), bevor Winsens nach höchst filigranem Spielzug zum Endstand von 0:3 verwandelte (70.). Letzteres geschah kurz nach einer unglücklichen gelb-roten Karte für Lars Ricken, aber BVB-Trainer Michael Skibbe wollte später nicht lange bei dieser Schiedsrichterentscheidung verweilen. Ja, er haderte nicht einmal mit der Tatsache, dass der erste Treffer nach der klarsten Abseitsstellung des ausgehenden Millenniums zustande gekommen war. Als „verdient“ bezeichnete er die Halbzeitführung der Gäste, als „hoch verdient“ das Schlussresultat. Bei dem abenteuerlichen Ekkenverhältnis von 10:4 zugunsten der Norweger, bei einem zusätzlichen Lattentreffer durch Mini Jakobsen (81.) und dem durchgehend überlegenen Spiel Trondheims blieb ihm auch gar nichts anderes übrig.
Wie tiefgefroren staksten die Schwarzgelben an diesem frostigen Herbstabend über den Platz und lieferten ihre bisher schlechteste Saisonleistung ab. Da ihnen dieser Blackout ausgerechnet gegen den bislang stärksten Gegner unterlief, endete das ungleiche Kräftemessen folgerichtig in einem Debakel. Aber wer weiß, vielleicht war es sogar ein Segen, dass jeder einzelne der Borussen sich gegen Trondheim auf zu dünnem Eis bewegte. Denn wäre der BVB nicht so kollektiv katastrophal aufgetreten, hätte er etwa nur 0:1 oder 1:2 verloren, dann wären möglicherweise gallige Fragen gestellt worden. Etwa die, warum ausgerechnet der ewig schaumgebremste Sergej Barbarez als Mittelstürmer auftrabte. So aber schüttelten die Experten nur die Köpfe über „einen von diesen Tagen“.
Und irgendwie ging es nach dem Spiel auch gar nicht mehr um Dortmund oder Trondheim. „Ist das der größte Moment des norwegischen Fußballs?“, wurde Verteidiger Bergdölmo gefragt. „Ja“, sagte er, „vergleichbar mit dem Sieg über Brasilien bei der WM.“ Und Trainer Nils Arne Eggen, der wie ein gutmütiger Geschichtslehrer aussieht, erklärte ohne Ironie: „Wir haben immer noch Respekt vor dem deutschen Fußball.“
Norwegen ist der nächste Länderspielgegner Deutschlands. Wer hat da jetzt gelacht?
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