: Kritikerbeschimpfung
■ Musterbeispiel antiaufklärerischer Werbung: die Ausstellung „BadArt“ in der Halle K wettert gegen „vermeintliche Experten“
So schlimm wie in diesem Herbst hat der Kommerz noch nie der Kunst in Hamburg zugesetzt. Erst der unsägliche Grand Marché in den Deichtorhallen, und jetzt mißbraucht eine Zigarettenfirma einen anderen (bisher) anerkannten Kunstraum: Mit weit mehr als tausend Gästen wurde letzte Woche eine Wanderausstellung von BadArt in der Halle K eröffnet. Neben ausgesuchtem Kitsch und exemplarischen Fundobjekten wimmelt es dort von kruden Machwerken, denen die Beschriftungen Künstler als Produzenten unterstellen.
Jeder Mensch ist ein Künstler, hat Beuys gesagt. Doch das bezieht sich auf die künstlerische Sichtweise des jeweiligen Tuns und meinte niemals, dass ein jeder auch Kunst machen sollte – schon gar nicht dummes Zeug auf Bestellung einer Werbeagentur. „Miró raucht West“, „Flasche mit Pickeln“, ein Telefon mit Pelz oder ficken wollende Füchse: Bei jeder dieser Katastrophen zeigt sich das völlige Unverständnis des Kunstgeschehens seit mindestens hundert Jahren – von falsch verstandenem Morandi über den dreist popularisierten Surrealismus zu Beuys, von der aktuellen Szene ganz zu schweigen.
Als die beiden Künstler Florian Borkenhagen und Peter Gersine vor über zwei Jahren mit dem „First Aid for Bad Art“-Projekt begannen, stellte ihre performative Intervention in den Kunstbetrieb die stets notwendige Frage nach den Kriterien und bot eine witzige Möglichkeit der Diskussion. Doch die Geister, die sie riefen, haben die Künstler unter der Flagge einer Zigarettenmarke überwältigt und in einer grauenvollen Mischung aus Verherrlichung der Trashkultur und Distanzformen des hochkulturellen Ausstellungsbetriebes die ursprüngliche Idee in einen beleidigenden Gag verwandelt.
Im Besucherbuch der leider äußerst erfolgreichen Schau steht: „Was hier hängt, könnte alles genauso in der Galerie der Gegenwart hängen und umgekehrt, ich sehe den Unterschied nicht.“ Aber eben genau darauf kommt es an. Doch die in der Ausstellung angebrachte Texttafel beklagt ausdrücklich „unverständliche Fachtermini und komplexe Abhandlungen durch vermeintliche Experten. Deshalb richtet sich westArt gegen die klassische, traditionelle Bewertung der Kunst durch eine meinungsmachende Minderheit.“ Da darf man doch fragen, wozu im Eröffnungsvortrag gerade eine Expertin wie die Präsidentin der Hamburger Hochschule für bildende Künste zu ernsthaften Gedanken über das Unterscheidungsvermögen gebeten wurde.
Der populistische Vorwurf gegen die Kritik ist ungefähr so intelligent, wie die Herrschaft der Kfz-Mechaniker über die Autos oder das Fachwissen der Ärzte zu beklagen. Dieses Musterbeispiel antiaufklärerischer Werbung zerstört Jahrzehnte ernsthafter und mühsamer Vermittlungsarbeit und bedient stattdessen unter dem Spaßmantel und dem Etikett der Geschmacksfreiheit unterschiedslos sämtliche Vorurteile gegen Kunst. Hajo Schiff
Barlach Halle K, Klosterwall 13, bis 7. November
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