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Rumänien will Securitate-Akten öffnen

■ Ein neues Gesetz ermöglicht Bürgern Einsicht in ihre Dossiers. Einige Gruppen, wie altgediente noch tätige Spitzel, sind ausgespart

Bukarest (taz) – Zehn Jahre nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu will Rumänien die Akten des berüchtigten Geheimdienstes Securitate öffnen. Das rumänische Parlament verabschiedete am Mittwoch nach mehrjährigen Kontroversen ein Gesetz, das rumänischen Staatsbürgern die Möglichkeit gibt, ihre Securitate-Akte einzusehen. Außerdem sollen mit Hilfe des Gesetzes ehemalige Securitate-Mitarbeiter enttarnt werden. Rumänien hat damit als letztes Land unter allen ehemaligen osteuropäischen kommunistischen Satellitenstaaten ein derartiges Gesetz verabschiedet.

Die Anträge auf Akteneinsicht wird eine Zentralbehörde, der so genannte „Nationale Rat für das Studium der Securitate-Archive“ (CNSAS), bearbeiten. Die Archive selbst werden auch künftig von den bisher zuständigen Behörden verwaltet, also vom Innengeheimdienst SRI sowie vom Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium. Ein so genanntes Direktorenkollegium, das die Aktenöffnungsbehörde leitet und paritätisch vom Parlament gewählt wird, hat die Aufgabe, einen durch das Gesetz festgelegten Personenkreis auf eine Vergangenheit als Mitarbeiter der Securitate zu überprüfen. Dazu gehören der Staatspräsident, Minister, Abgeordnete sowie andere hohe Staatsfunktionäre, aber auch Leiter von Postämtern, Priester oder Schuldirektoren. Material über sie kann veröffentlicht werden. Andere Sanktionen sind in dem Gesetz nicht vorgesehen.

Die Öffnung der Akten wird durch einige Gummiparagraphen beschränkt. Einem Antragsteller kann die Einsicht in seine Akte verweigert werden, wenn „die nationale Sicherheit betroffen“ ist. Über einen solchen Fall entscheidet der Geheimdienst SRI zusammen mit dem Direktorenkollegium.

Geschützt durch das Gesetz sind auch ehemalige Securitate-Mitarbeiter, die heute noch in Geheimdiensten tätig sind, und ehemalige Häftlinge, die im Gefängnis für die Securitate gearbeitet haben. Über beide Personenkategorien dürfen keine Informationen veröffentlicht werden. Das Gesetz lässt auch den Zugriff auf das Archiv des ehemaligen Auslandsgeheimdienstes SIE und seine Mitarbeiter nicht zu.

Der Vater des Gesetzes, Constantin Ticu Dumitrescu, ein unabhängiger Senator, kommentiert das Gesetz als Mittel zur „Vertuschung der Securitate-Vergangenheit“: „Meine ursprüngliche Idee der Dekonspiration der Securitate wurde ad absurdum geführt. Deshalb habe ich mit diesem Gesetz nichts mehr zu tun.“

Demgegenüber begrüßte die christlich-liberale-sozialdemokratische Regierungsmehrheit die Verabschiedung des Gesetzes als ein Mittel zur Aufdeckung der Vergangenheit. Die Opposition zeigte sich indes desinteressiert. Der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu, aussichtsreicher Kandidat für eine neue Amtszeit als Staatschef nach den Wahlen im nächsten Herbst, sagte, es gebe Wichtigeres zu tun als die Aktenöffnung.

Keno Verseck

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