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Doppelspitze regiert Indonesien

Megawati wird mit großer Mehrheit zur Vizepräsidentin Indonesiens gewählt. Staatschef Wahid unterstützte die Kandidatur der Oppositionsführerin  ■   Aus Jakarta Jutta Lietsch

Megawati Sukarnoputri, die Chefin der „Demokratischen Partei Indonesiens“, ist seit gestern Vizepräsidentin Indonesiens. In der Beratenden Volksversammlung, dem höchsten politischen Gremium des Landes, konnte sich die 52-jährige Politikerin gegen den Kandidaten einer muslimischen Fraktion, Hamzah Haz, klar durchsetzen.

Damit endeten die dramatischen 48 Stunden der indonesischen Präsidentschaftswahlen gestern mit einer versöhnlichen Note. Der am Tag zuvor gewählte Präsident Abdurrahman Wahid hatte die Politikerin selbst als Wunschkandidatin im Amt der Stellvertreterin vorgeschlagen. Sie hatte, so berichteten der Fraktionschef ihrer Partei, nur unter einer Bedingung zugestimmt: Wahid müsse garantieren, dass sie sich nicht eine zweite Niederlage einholen würde. Dies habe der Präsident versprochen – doch niemand wusste, ob er es halten könnte.

Bei ihrer Vereidigung versicherte Megawati gestern Abend, sie werde künftig eng mit Wahid zusammenarbeiten. Megawati: „Niemand wird uns jemals gegeneinander ausspielen können.“

In den Straßen Jakartas veränderte sich die Stimmung am Abend schlagartig: Anhänger Megawatis tanzten und jubelten. In der Nacht zuvor war es noch zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, nachdem die Politikerin beim Rennen ums höchste Amt gescheitert.

Bis in den Morgen hinein brannten auch auf der Insel Bali und in mehreren anderen Orten Autos und Gebäude. In der Stadt Solo plünderten Megawati-Anhänger sogar das Haus der Familie des Sprechers der Beratenden Volksversammlung, Amien Rais.

Zum ersten Mal in der 54-jährigen Geschichte des Landes stand das Ergebnis dieser Wahlen nicht vorher fest. Über die staatlichen und privaten Fernsehprogramme konnten die 210 Millionen Indonesier die Debatten in der Volksversammlung und die Auszählung der Stimmen verfolgen.

Wie schon am Tag zuvor begann die Abstimmung gestern mit überraschenden und wiedersprüchlichen Ankündigungen darüber, wer eigentlich kandidieren würde. Als die Wahl schließlich nach einigem Hin und Her und mehrstündiger Verspätung beginnen sollte, zog zuerst der Chef der bislang regierenden Golkar-Partei, Akbar Tanjung, seine Bewerbung zurück. Kurz danach stand auch Armeechef General Wiranto auf und erklärte, er stehe nicht mehr zur Verfügung.

Damit hatte die Golkar-Partei, die über dreißig Jahre lang zunächst dem alten Diktator Suharto und zuletzt dessen Nachfolger Habibie gedient hatte, sich nicht auf einen eigenen Kandidaten einigen können: deutliches Zeichen dafür, dass die Partei tief gespalten ist. Anhänger des am letzten Wochenende in Schimpf und Schande fallen gelassenen Ex-Präsidenten Habibie haben Golkar-Chef Tanjung vorgeworfen, schuld an dessen Sturz zu sein.

Offenbar auf internationalen Druck hin hatte der Armeechef seine Kandidatur zurückgezogen: Gegen General Wiranto wird wegen des vom Militär in Osttimor verübten Terrors von der UNO-Menschenrechtskommission ermittelt. Er muss möglicherweise befürchten, als Kriegsverbrecher vor ein internationales Gericht gestellt zu werden.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte unterdessen den neuen indonesischen Präsidenten auf, die Verteidigung der Menschenrechte zu einem Schwerpunkt seiner Politik zu machen.Der Weltbank-Präsident James Wolfensohn sicherte Indonesien die „volle Zusammenarbeit und Unterstützung“ bei der Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu.

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