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Ausgefeilt debil

■ Das Theater Mahagoni inszeniert ein „Training für Eutschland“ in den Sophiensaelen

Schwanzpudern! Sagt Ihnen jetzt nichts? Schwanzpudern ist, wenn eine schöne und sehr blonde Frau auf dem Boden kniet und den Kopf ihres gürtelabwärts entblößten Geliebten im küchenbeschürzten Schoß gebettet hält. Mit der einen Hand schwingt sie kräftig – Stichwort: nachwürzen – die Penaten-Puderdose überm Gemächt des Geliebten, mit der anderen verteilt sie liebevoll, doch bestimmt den weißen Sauberstaub in den Ritzen und Falten zwischen Hodensack und Lende.

Schwanzpudern allein wäre schon ein schönes Stimmungsbild für Ehen im fortgeschrittenen Stadium, doch moderiert hierzu eine samtige Stimme aus dem Off: „Inge! Stell dir vor, du stehst zu Hause am Bügelbrett und draußen vorm Fenster werden Ausländer verbrannt – mach einen Vorschlag?!“

„Training für Eutschland“ heißt die neueste Produktion von Theater Mahagoni, Teil zwei der „Camp“-Trilogie, deren erster Teil „Bad Actors“ bereits Anfang des Jahres in den Sophiensaelen bewies, dass Schlechtes unbedingt zum besseren Schauspiel befreit.

Worum es nun im „eutschen Lager“ präzise geht, ob um die Suche nach nationaler Identität, kuschliger Communitas oder gar die Denunziation all dessen, was im Kennzeichen D vielleicht noch heilig ist, dürfte auch den neun Volker- und zwei Inge-DarstellerInnen im Verlauf des Probe-Campens verloren gegangen sein.

„Anarschie ist die höchste Form der Ordnung. Und die emotionalste“, predigt ein wanderbehoster Volker den Artgenossen, und eine gewisse strategische Anarchie entstrukturiert entsprechend das Nummernprogramm zu Jagd- und Forstwirtschaft, Sportverein und Werteversandkatalogen. Zwischen blassblauen Gardinen und geblümten Emaillekochtöpfen, rasenden Kostümwechseln und zarter Musikberieselung entwickeln die Trainingspartner eine ausgefeilte Debilität, die abwechselnd ins Leere oder Bitterböse kalauert.

Mit Bienenfleiß – einer der in Kurzreferaten verfochtenen Tugenden – haben dazu Regisseur Albrecht Hirche und Konsorten Kampfparolen („Wer will, der kann“), Liedgut („Simselabimbambaseladuseladim“) und Lieblingsfloskeln („Nach 18 Uhr ist keiner mehr da“) zusammengetragen, abgefilmt und aufgenommen, zu kleinen Geschichten ausimprovisiert oder auch nur in Schnappschüssen, als grelle Living sculptures, eingefroren. Mal wieder Nachdenken über Buntesdeutschland: wie anders als mit gänzlich entleerten Symbolen, in munterem Eklektizismus soll das vonstatten gehen?

Das Addieren sinnfreier Slogans, der beherzte Zugriff aufs politisch Unkorrekte und die Lager-Thematik gehören auch zum Schlingensiefschen Großprojekt, das spielverliebte Jonglieren mit pseudobiografischen Bezügen, Talkshow-Elementen und dauerndem Aus-der-Rolle-fallen bildet inzwischen den Performance-Kanon. Das alles und noch viel mehr verwursten die Eutschen zu perfekt geheucheltem Dilettantismus, der für die natürlich lustige Ergebnislosigkeit der Recherche komplett entschädigt. Eva Behrendt‚/B‘ Vom 23. bis 31. 10. , 20 Uhr, Sophiensaele, Sophienstr. 18

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