piwik no script img

In Ruanda wächst die Sehnsucht nach der Rückkehr des Königs

■ Wird eine der ältesten Königsdynastien der Welt restauriert? Die Wiederkehr des 1961 vertriebenen „Mwami“ könnte der beste Weg zu einer Versöhnung zwischen Hutu und Tutsi sein. Noch ist Ruandas Regierung dagegen

Kigeri V Ndahindurwa, Mwami von Ruanda und Abkömmling einer 900-jährigen Dynastie, lebt seit dem Sturz in den USA

Berlin (taz) – Ist ein König ein König, wenn er kein König mehr ist? Von der Klärung dieser schwierigen Frage könnte die zukünftige Entwicklung Ruandas abhängen. Ruanda hat nämlich keinen König, aber es gibt einen König von Ruanda.

König Kigeri V, mit vollem Titel „Kigeri V Ndahindurwa, Mwami von Ruanda“, lebt in den USA im Exil, seit die ruandische Monarchie 1961 gestürzt wurde. Er regierte davor nur zwei Jahre lang, und seine Regentschaft fiel mitten in die sogenannte „Soziale Revolution“ gegen Ende der belgischen Kolonialherrschaft. Hutu-Republikaner stießen zwischen 1959 und der Proklamation der ruandischen Unabhängigkeit 1962 Ruanda 900-jährige Tutsi-Monarchie von Thron, und Kigeri V, dessen Ausrufung als König 1959 ohnehin umstritten gewesen war, verließ das Land.

Inzwischen ist auch Ruandas Hutu-Regime verschwunden – es fiel 1994 seinem eigenen Willen zur kompletten Auslöschung der ruandischen Tutsi-Minderheit zum Opfer. Die heute regierende Tutsi-dominierte „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die einst aus Spaltungen innerhalb der monarchistischen Tutsi-Exilbewegungen der 70er-Jahre hervorgegangen war, steht nun aber ihrerseits vor dem Problem, in den Augen von Teilen der Hutu-Mehrheitsbevölkerung keine volle Legitimität zu besitzen. Der Graben zwischen Hutu und Tutsi ist in Ruanda noch immer sehr tief.

Könnte da, so eine zunehmend an Anhängern gewinnende Meinung in Ruanda, nicht die Rückkehr des Königs als zentrales Element einer nationalen Versöhnung dienen? Die Idee gewinnt an Boden. Paul Kagame, Militärführer der RPF und ruandischer Vizepräsident, traf König Kigeri V bereits zweimal im US-Exil.

„Die Rückkehr des Königs ist der einzige Weg, die Autorität des ruandischen Staates wiederherzustellen“, meint ein prominenter ruandischer Menschenrechtler. „Er würde die Autorität des Staates vertreten, aber die Leute ihre Vertreter wählen lassen.“ Dies wäre ein demokratischer Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustand. Wenn von demokratischer Öffnung die Rede ist, wird diese Frage gestellt werden. Es wird Leute geben, die eine Volksabstimmung darüber verlangen. Es ist unausweichlich.“

Seiner Meinung nach ist zwar die herrschende RPF, die sich als Modernisierer Ruandas begreift, mehrheitlich dagegen, aber Ruandas Hutu-Opposition sei einhellig für die Rückkehr des Königs. Obwohl dieser ein Tutsi ist, wäre er ein Garant der Rechte aller Ruander und ein bitter notwendiges allseits anerkanntes Symbol der nationalen Einheit.

Nur ein König, so eine verbreitete Meinung, könne in Ruanda die notwendigen Begnadigungen und Amnestieschritte für die inhaftierten „kleinen Täter“ des Völkermordes von 1994 aussprechen, die mittlerweile weithin als Vorbedingung für eine wahre Aussöhnung gelten. Denn der „Mwami“ steht als Einziger in Ruanda über der Hutu-Tutsi-Spaltung. Der Legende zufolge stammen alle Ruander von Ruandas erstem König Gihanga ab, der im 11. Jahrhundert regierte und drei Söhne hatte: Gahutu, Gatutsi und Gatwa, die Ahnen der drei „Ethnien“ des ruandischen Volkes.

Die Zeit drängt. Kigeri V ist schon 63 Jahre alt, er hat noch keine Kinder und ist nicht einmal verheiratet. Mit ihm würde die auf Gihanga zurückgeführte ruandische Königsdynastie aussterben. Ein Kronprinz muss aber der Tradition zufolge auf ruandischem Boden geboren werden. Also muss Kigeri V eigentlich ganz schnell in Ruanda heiraten und Vater werden.

Das wäre ja normalerweise gar kein Problem. Aber Ruandas König kann nicht nach Ruanda zurückkommen, ohne König von Ruanda zu sein. Er müsste auf sein Amt verzichten, aber das hat es noch nie gegeben und es würde ohnehin den ganzen Sinn seiner Rückkehr zerstören.

Führt also ein Weg an der Restauration einer der ältesten Dynastien der Welt vorbei? Eigentlich nicht. Ruandas herrschende RPF braucht sich eigentlich auch nicht solche Sorgen um diesen Schritt zu machen. Der Präsident des benachbarten Uganda restaurierte 1994 die traditionellen Königtümer von Buganda, Bunyoro und Toro, ohne dass gleich die Regierung stürzte. Und in den Bürgerkriegsregionen des benachbarten Kongo werden die traditionellen „Mwamis“ mangels anerkannter moderner Politiker immer mehr zu Machtfaktoren in der zersplitterten Politik des Landes. Vielleicht müssen tatsächlich die verstreuten Könige der Region zusammenkommen, damit im blutgetränkten Afrika der Großen Seen endlich wieder Frieden einkehrt. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen