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Hang zu Militärtechnologie

■  Jedes Mädchen kann glamourös sein, es muss nur stillstehen und dumm gucken können: Eine Hommage an die ehemalige Hollywood-Diva Hedy Lamarr in Juliettes Literatursalon

Sie bescherte der Welt den „first on-screen female orgasm“ der Filmgeschichte. Dazu würden zwar die Damen, die abends auf den heimischen Fernsehgeräten „Ruf mich an!“ stöhnen, heutzutage nur müde mit den Glocken wackeln, aber damals, 1933 ... hui!!

Da reichte die Großaufnahme des Gesichts der 18-jährigen Hedy Lamarr in recht orgiastisch anmutender Verzückung für einen handfesten Skandal. Und dass Fräulein Hedwig Kiesler, so der bürgerliche Name der gebürtigen Wienerin, im gleichen Film mit dem bezeichnenden Titel „Ekstase“ auch noch eine echte Nacktszene spielte, macht das Märchen von der sexuell freizügigen Schauspielerin komplett.

Sie habe nicht gewusst, dass im Film wirklich alles zu sehen sein würde, behauptete Frau Lamarr zwar später. Aber gezeigt ist gezeigt, und zum erotischen Flair der somnambulen Schönheit kommt noch eine wissenschaftlich-politische Note dazu, die sie auch mit der Hollywood-Sex-feindlichsten Feministin aussöhnt: 1940 hat Frau Lamarr, mit Hilfe des Avantgarde-Komponisten George Antheil, mal eben eine Vorrichtung zur Funkfernsteuerung von Torpedos erfunden.

Mittels so genannten „Frequency-Hoppings“, auf dessen Basis übrigens heutzutage unter anderem auch Mobiltelefonsysteme funktionieren, konnten Torpedos so vor Störungen durch den Feind sicher gemacht werden. Woher ein Hollywood-Sternchen so etwas kann? Ihr erster Mann, Fritz Mandl, war Chef der „Hirtenberger Patronenfabrik“, und anscheinend hat sie vorbildlich aufgepasst, wenn sie ihren Mann dort besuchte. Die glühenden Anti-Nazi-Kämpfer Lamarr und Antheil ließen ihre Erfindung patentieren, und ab 1942 wurde das „Secret Communication System“ im Krieg gegen die Deutschen eingesetzt. Da lebte Hedy längst in Hollywood, hatte einen Vertrag mit MGM und wurde mit dem Slogan „Schönste Frau der Welt“ beworben. Und was sagte sie selbst dazu: „Any girl can be glamorous, all she has to do is stand still and look stupid.“ Es folgten einige wenige erfolgreiche Filme, die Absage, die Hauptrollen in „Casablanca“ und „Gaslicht“ zu spielen, jede Menge Flops, und sechs Ehen.

1966 kam die von ihr nicht autorisierte Biographie „Ecstasy and me“ heraus, ein Buch voller Bettgeschichten, über das sich Frau Lamarr später sehr erzürnte. Ein letzter Filmvertrag scheiterte aufgrund einer merkwürdigen Anklage wegen Diebstahls, es soll sich dabei – ganz hollywoodesk – um goldene Slipper gehandelt haben. Eine Erfindung hat die findige und lakonische Schauspielerin leider bis heute nie wieder gemacht. Sie lebt zurückgezogen bei Orlando, und lässt sich selbst bei Preisverleihungen nicht blicken. 1997 wurde sie gleich mit mehreren Auszeichnungen geehrt. Sie schickte zur Entgegennahme einen ihrer Söhne, der passenderweise bei einer Mobiltelefonfirma in Los Angeles arbeitet. Sie selbst sagte zu einer Journalistin am Telefon bloß: „It's about time.“

Hin und wieder erinnern sich ein paar Illustrierte an das Fräulein-Wunder mit dem Hang zur Militärtechnologie, aber den meisten Leuten ist sie aus dem Gedächtnis entschwunden wie die meisten ihrer Filme. Eine Gruppe österreichischer und deutscher Fans, PublizistInnen und KulturhistorikerInnen hat darum jetzt eine hübsche Website über die erste Hollywood-Diva mit Mittelscheitel erstellt, ein Buch mit Texten und Interviews herausgebracht, und bietet eine Ausstellung über Hedy an.

Endlich die verdiente „Hommage à Hedy Lamarr“, mit Vorträgen, Lesungen und Filmen – und skandalöser stöhnen als alle nächtlichen Telefondamen zusammen darf Hedy auch noch mal in der ungeschnittenen Version von „Ekstase“. Jenni Zylka

„Hommage à Hedy Lamarr“, vom 25. 10.–7. 11. 1999. Heute, 19 Uhr, Ausstellungseröffnung, 20 Uhr: Buchpräsentation/Vorträge mit Theo Linghart, Gisela von Wysocki und Hans-Georg Nicklaus in Juliettes Literatursalon, Gormannstr. 25, Mitte. Um 23 Uhr: „Ekstase“ im Kino Central, Rosenthaler Str. 39, weitere Filme im Kino Central

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