Sozis soziales Startup

SPD-Fraktion fährt zur Halbzeit die Orte ihrer Erfolge ab, um das ungleiche Paar soziale Gerechtigkeit und Neue Mitte unter einen Hut zu zwängen  ■ Von Peter Ahrens

Kreuz und quer durch die Stadt, immer den SPD-Erfolgen hinterher. Die sozialdemokratische Fraktionsspitze hat die Presse in einen Bus gepackt. Der zuckelt durch Horn, durch Rothenburgsort und durch die Speicherstadt, und überall, das soll man merken, hat die SPD jüngste Spuren zum Wohle Hamburgs hinterlassen. Was als rot-grüne Halbzeitbilanz aus Sicht der Fraktion ausgewiesen ist, hat aber vor allem einen Zweck: Die Hamburger Sozialdemokraten wollen zeigen, dass sie Neue Mitte und soziale Gerechtigkeit, das ungleiche Paar, unter einen Hut bekommen.

Erste Station: Die Speicherstadt. Sechster Boden, herrliche Aussicht vom Balkon, und vor den Augen der SPD-Fraktionsspitze wird es bunt. Der Videoclip des US-Konzerns IXL Electronics, eines der Großen in der Internet-Beratung von Unternehmen, wird abgespielt. Die IXL-Filiale in Hamburg zählt die ARD zu ihren Kunden, Gruner+Jahr, Delta Airlines, Karstadt und noch ein paar weitere ganz di-cke Brocken. In dem kleinen Büro wird richtig Geld gemacht. Hier fliegen die Amerikanismen durch die Luft, Ticketing, Recrooting, E-Commerce.

Der SPD-Medienexperte Werner Dobritz bemüht sich nach Kräften mitzuhalten, redet von Bottleneck, Startup und Output und beklagt sich, dass es in Hamburg Bildungssenatorinnen gibt, die noch nicht Tag und Nacht zuallererst an die Multimedia-Ausbildung in der Stadt denken. Die IXL-Leute bekräftigen: Zulauf an jungen guten Leuten komme aus Hamburg kaum. Dobritz jammert: „Es wäre eine schreckliche Botschaft, wenn es hieße: Aus Hamburg kommt kein qualifizierter Nachwuchs.“ Das sind die Modernisierer in der SPD.

Die andere Seele in der sozialdemokratischen Brust wird auf der zweiten Station gestreichelt. Kontrastprogramm: nach denen da oben jetzt die hier unten – Förderung für Jugendliche, die keine Ausbildung haben, in Rothenburgsort. Der Mann für diese Seite der SPD-Medaille ist Uwe Grund, Gewerkschafter und Bürgerschaftsmitglied. Er weist darauf hin, dass 40 Millionen Mark aus dem Sofortprogramm der Bundesregierung gegen Jugendarbeitslosigkeit nach Hamburg gehen und dass „schließlich nicht alle Medienkaufleute werden können“. Das sind die Traditionalisten.

Die bekommen auch bei der dritten Stippvisite ihr Plaisir. In Horn darf der heimische Bürgerschaftsabgeordnete Michael Neumann stolz vom neuen Jugendzentrum erzählen, die jungen Leute kämen jetzt endlich aus dem Keller eines Hochhauses heraus, in dem sie nie laute Musik machen dürfen. Die Fraktionsspitze und die Presse schauen sich die Baustelle an, dann gibt es noch einen kleinen Rundgang durch den Stadtteil, und dann steigen alle wieder in den Bus.

Fraktionschef Holger Christier sagt nach fünf Stunden Stadtrundfahrt: „Wir hoffen, Ihnen die ganze Spannbreite politischen Handelns gezeigt zu haben“ und dass „man auch künftig noch stärker deutlich machen will, dass wir beide Gesichtspunkte, Innovation und soziales Handeln, im Blick haben“.

Drogenpolitik, Kultur, Innere Sicherheit, Abschiebung, Alte und Familien, Schulpolitik – kein Wort dazu. Wer darüber etwas wissen will, könne das ja in der neuen Broschüre der Fraktion nachlesen.