: Günstiger Boden für jede Art von Geschäften“
■ Polizeipräsident: Berlin ist sicherer als viele glauben, aber reizvoll für Kriminelle
Zum vierten Mal begann gestern unter dem Funkturm die „SiTech Berlin 99“, die „Internationale Fachmesse für Sicherheit und Sicherheitstechnik“. Er habe, meinte ein Besucher aus der Schweiz zu seinen Gesprächspartnern, „noch nie im Leben eine so verschmierte Stadt gesehen“. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky konnte die Teilnehmer des Begleitkongresses jedoch beruhigen. In weiten Kreisen der Bevölkerung klaffe die „objektive und subjektive Einschätzung weit auseinander. Die Sicherheitslage ist nicht so dramatisch, wie manche Medien meinen, sie darstellen zu müssen.“
Mit 586.528 Straftaten im vergangenen Jahr habe Berlin gegenüber 1997 einen Rückgang um 1 Prozent zu verzeichnen. Zugleich habe die Polizei mit 49,4 Prozent ihre „beste Aufklärungsquote seit dreißig Jahren“ erreicht. Der Sicherheitsstandard in Berlin müsse den internationalen Vergleich nicht scheuen, betonte Saberschinsky. Natürlich seien die Sicherheitsängste der Menschen dennoch ernst zu nehmen, ansonsten würde man die „Unzufriedenheit mit dem politischen System nähren“.
Dann bekamen die Sicherheitsfachleute für ihre Tagungsgebühr doch noch etwas geboten. Die zunehmende Globalisierung, so Saberschinsky, habe natürlich Rückwirkungen auf die Innere Sicherheit. Sie entwickele sich daher zu einer „ganz bedeutsamen Kernaufgabe unseres Staates“. Bei nur etwa 70 Kilometer zur Grenze nach Mittel- und Osteuropa sei Berlin ein „Mikrokosmos für europäische Sicherheitsprobleme“ geworden. So entfalte etwa die neue Hauptstadtfunktion eine Sogwirkung „für jede Art von Geschäften“ und bilde damit für Kriminelle einen „günstigen Boden“. Bereits jetzt gebe es eine „massenhafte Alltagskriminalität“. Auch Wirtschaftsspionage und politischer Extremismus würden sich „verstärkt auf Berlin fokussieren“ und damit zu einem immer wichtigeren Einsatzfeld für die Sicherheitsbehörden.
Zusammenfassend sei die Sicherheitslage in Berlin 1998 durch insgesamt 1,8 Millionen Notrufe, rund 138.000 Funkstreifeneinsätze und etwa 45.000 Festnahmen gekennzeichnet gewesen. Hinzu kämen circa 1.900 Demonstrationen und Kundgebungen, Tendenz steigend. Zumindest hier wusste Saberschinsky wieder Positives zu berichten. Brennende Barrikaden gehörten inzwischen weitgehend der Vergangenheit an. „Nicht durch harte Einsätze, wie dies der Berliner Polizei nachgesagt“ werde, sondern weil sie flexible, lageangepasste Konzeptionen entwickelt habe. Und so passte am Ende doch alles wieder mit der neuen Leitidee zusammen, mit der Saberschinsky seine Streifenwagen versehen hat: „Mit Sicherheit weltoffen“. Otto Diederichs
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