Fuderholz' Mitgift beim Wechsel in die Aue

Günter Fuderholz handelte als Abteilungsleiter der Bauverwaltung beim Verkauf der landeseigenen Elisabeth-Aue günstige Konditionen für Investoren aus. Dann wechselte er die Seite. Er ist Geschäftsführer der DSK, die für ihre Muttergesellschaft das Baugebiet entwickelt  ■   Von Mathew D. Rose

„Es macht alle stutzig, wenn ein günstig aussehendes Vertragswerk entstanden ist und der Verhandlungspartner dann die Seite wechselt“

Es steht kein Stein auf dem anderen. Für die Internationale Bauausstellung 99 an fünf Standorten in Pankow und Weißensee gibt es nicht einmal eine Baugenehmigung. Dabei hatte der Senat bereits 1997 entschieden, im Rahmen der „Eigentumsstrategie 2000‘‘ dort preiswerte Einfamilien- und Reihenhäuser bauen zu lassen.

Lässt sich die Verzögerung noch mit dem Planungsrecht erklären, so dürfte es dem Senat schwer fallen, einen anderen, schwerer wiegenden Punkt zu begründen: das Zustandekommen eines nach Meinung von Baufachleuten und Abgeordneten außergewöhnlich günstigen Vertragswerks, mit dem der Senat ein 105 Hektar großes landeseigenes Grundstück an Investoren vergab. Zusätzlich zu den ursprünglich vier Gebieten, die von Privatinvestoren bebaut werden sollten, brachte der Senat die Elisabeth-Aue am Pankower Stadtrand mit ins Bauausstellungsprojekt ein. Deren Vermarktung sollte der leeren Landeskasse Einnahmen zuführen.

Das Grundstück wurde jedoch ohne Ausschreibung an die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG) vergeben. Zu 51 Prozent ist die BLEG in Landeshand und zu 49 Prozent im Besitz der Landesbank, an der ebenfalls das Land Berlin die Mehrheit hält. Die BLEG sollte zusammen mit der Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft DSK – Tochterfirma der ebenfalls vom Land beherrschten Bankgesellschaft Berlin – die Elisabeth-Aue entwickeln und erschließen sowie 60 Prozent der Häuser errichten. Die restlichen sollten andere Investoren bauen.

Für den Senat hatte Günter Fuderholz, Leiter der Abteilung Bauliche Grundsatzangelegenheiten beim Bausenator, die Verhandlungen mit der BLEG und der DSK geführt. Das Ergebnis wird in Fachkreisen nur noch „Fuderholz' Mitgift“ genannt. Denn mitten in den Vertragsverhandlungen bereitete Fuderholz seinen Seitenwechsel vor: Ende Mai 1998, mehr als einen Monat vor Vertragsunterzeichnung, hatte Fuderholz beim Bausenator seine Kündigung zum 30. September 1998 eingereicht. Seit dem 1. Oktober ist er Geschäftsführer der DSK.

Doch Fuderholz' Seitenwechsel wurde vor der Vertragsunterzeichnung öffentlich. Als der Vertrag am 6. Juli 1998 von Fuderholz, als Vertreter des Senats, unterschrieben wurde, war nicht mehr die DSK Vertragspartner, sondern ihre Muttergesellschaft: die Immobilien und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin GmbH (IBG).

„Es ging nicht anders“, erklärt Fuderholz heute, da die DSK sich nicht zum Häuserbau verpflichten könne. In einem Schreiben der IBG vom 5. Februar dieses Jahres wurde die Bauverwaltung jedoch informiert, die DSK vertrete die IBG in der Elisabeth-Aue „voll inhaltlich, so dass Berlin mit der DSK entsprechende Gespräche und Verhandlungen führen sowie Verträge abschließen kann“. Und das rückwirkend zum 6. Juli 1998 – dem Tag der Vertragsunterzeichnung. Lediglich für die Bereiche des Hoch- und Eigenheimbaus sei die IBG originär zuständig.

„Trotz der offensichtlichen Interessenkollision durfte der Senatsbedienstete ungestört für seinen Noch-Arbeitgeber am Vertrag mit seinem Bald-Arbeitgeber stricken“, bemängelt Ida Schillen, Noch-Abgeordnete und Kennerin der Berliner Bauszene. Wieder einmal wurde – wie bei der Privatisierung der Berliner Flughäfen – die Grenze zwischen Verkäufer- und Investorenseite verwischt. Auch Fuderholz' Chefs befanden sich auf beiden Seiten der Barrikade: Bausenator Jürgen Klemann saß damals im Aufsichtsrat der Landesbank Berlin. Sein Staatssekretär, Ulrich Arndt, sitzt im Aufsichtsrat der BLEG. Entsprechend „hart“ fiel der Vertrag aus.

„Er räumt der BLEG und der DSK immense Vorteile gegenüber den Privatinvestoren der Bauausstellung ein“, meint Claudia Hämmerling, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen. Während andere Investoren ein ganzes Grundstück kaufen müssen, müssen die Investoren auf der Elisabeth-Aue nur Flächen bezahlen, die tatsächlich bebaut werden. So kassiert das Land nur für 42 der insgesamt 105 Hektar.

Zudem müssen die Investoren nicht gleich den vollen Preis zahlen, sondern nur einen Abschlag. Andere Investoren müssen außerdem mit den Bezirksämtern über die Bauplanung verhandeln. Mit offenem Ausgang, was zudem Zeit und Zins kostet. Nicht aber BLEG und DSK: Wenn der erste Bauabschnitt nicht bis zum 31. Dezember .1999 genehmigt ist, können sie vom Vertrag zurücktreten oder nachverhandeln.

Für Hämmerling steht fest: „Der Vertrag ist voll mit weiteren Vorteilen für die Investoren der Elisabeth-Aue.“ Schillen bestätigt: „Bei den gegenwärtigen Grundstückspreisen kann jeder mit den schon vorhandenen staatlichen Zuschüssen vergleichbare Einfamilienhäuser für 300.000 bis 400.000 Mark auf den Markt bringen. Hier werden weitere Subventionen gewährt.“ Außerdem werden DSK und BLEG für städtebauliche Leistung 110 Millionen Mark aus Senatsgeldern zugestanden: „Traumhaft“, so eine zynische Reaktion aus der Branche. Inzwischen hat die Bauverwaltung die Mittel auf 83,4 Millionen Mark reduziert. „Wir haben nachgerechnet“, so Petra Nothdorf, Leiterin des Projekts Elisabeth-Aue bei der Bauverwaltung. Weitere 10 Millionen stünden noch zur Disposition.

Fuderholz spielt alles herunter: „Die Elisabeth-Aue macht nur ein Prozent des DSK-Umsatzes aus.“ Dabei bleibt außen vor, dass die DSK-Muttergesellschaft IBG noch über weitere Töchter verdient: So errichtet etwa die Bavaria Objekt- und Baubetreuung GmbH 60 Prozent der Häuser auf der Elisabeth-Aue.

Werner Upmeier und Dietmar Otremba hatten ihre Grundstücke im Nordosten Berlins bereits vor Jahren gekauft, als die Preise noch weitaus höher waren. Beide Investoren klagten gegen die Subventionierung von BLEG und DSK durch das Land Berlin. Vor drei Instanzen konnten sie zunächst die geplante Vermarktung der Elisabeth-Aue an weitere Privatinvestoren verhindern. Doch Fuderholz sieht sich als Sieger: „Die Urteile geben Upmeier und Otremba nur in einem kleinen Bereich Recht.“ Sollte der Senat ihre Pläne fortsetzen, will Upmeier die EU-Wettbewerbskommission wegen unlauterem Wettbewerb anrufen.

Für Fuderholz sind die Vorwürfe haltlos. Sie würden von Investoren der Bauausstellung, die sich verspekuliert hätten, benutzt, um sich eigene Vorteile zu verschaffen: „Leute, die gravierende Fehler begangen haben und andere mit Schmutz bewerfen.“

In internen Schreiben an die Senatsverwaltung nimmt selbst der vom Senat als Planungsdirektor der Bauausstellung eingesetzte Architekt und Planer Eckhard Feddersen kein Blatt vor den Mund. Feddersen, der die Belange aller Investoren der Ausstellung vertritt, schrieb in Sachen Elisabeth-Aue an die Bauverwaltung: „Es macht alle Menschen stutzig, wenn ein Treuhänder des Landes gleichzeitig ein großer Bauträger ist, wenn für diesen Bauträger nach Meinung von Fachleuten ein günstig aussehendes Vertragswerk entstanden ist und der Verhandlungspartner auf Senatsseite wenige Wochen später als Direktor auf die andere Seite wechselt.“