Zwei sozialistische Staaten

■ Trio Infernale: Monika Maron, Christoph Stölzl und Wolfgang Thierse sprachen in der Akademie der Künste über, ach, Deutschland

Das Motto, unter dem sich am Dienstag das Trio Infernale Wolfgang Thierse, Monika Maron und Christoph Stölzl in der Akademie der Künste versammelt hatte, lautete „Geeintes Land – Gespaltene Kultur“ und war dem zehnten Geburtstag des Mauerfalls geschuldet, der hier automatisch mit der Wiedervereinigung gleichgesetzt wurde. Auch ansonsten blieb die Veranstaltung von Erinnerungsverlusten geprägt. Maron zitierte einen Fischer, um zu belegen, dass die Leute schon „immer gemeckert“ hätten, und verfügte ein Klageverbot: Der Ostdeutsche solle stattdessen fordern, Punkt. Zudem, wo soll's denn mangeln, Schwerin und andere Städte seien nämlich nicht mehr verfallen, sondern apart renoviert, und bekämen „ihre Geschichte zurück“. Einschusslöcher gehören offenbar nicht dazu.

Die liebe Frau Maron und ihre stiefmütterlichen Einsichten verschlugen Wolfgang Thierse die Sprache. Immerhin verhinderte er, dass Frau Maron Heiner Müller mit denkbarster Schlichtheit unter Widerstand“ subsummierte und die bundesdeutsche Gesellschaft als Nonplusultra handelte. Sie sei durchaus auch als „schlechtbürgerlich“ interpretierbar. Überhaupt, so Thierse, sei die DDR widersprüchlich gewesen, und er verstehe durchaus, wenn die Ostdeutschen auf die Westpauschalisierungen mit Trotz reagierten.

Dann jedoch schwang sich Thierse zum Verteidiger des Ostens auf und begann, die vor Jahren erlittenen Verletzungen mit der heutigen Situation zu verrechnen. Das hielt er anscheinend für einen intellektuell probaten Zugang, und interessanterweise fand das sogar Monika Maron paternalisch. Angesichts der Einlassungen Christoph Stölzls jedoch war man für Thierses ursozialdemokratische Papahaftigkeit regelrecht dankbar. Denn Stölzl, der jetzt vom Deutschen Historischen Museum an die Spitze des Feuilletons der Welt wechselt und sich „als der mit historischem Materialismus gespickte weise Texaner“ (Thierse) gerierte, machte mit der Souveränität des Gewinners klar, dass es vor der Wende weder im Westen noch im Osten einen funktionierenden deutschen Staat gegeben habe. Von Texas aus – Stölzls Lieblingsbeispielsperspektive – betrachtet hätten „zwei sozialistische Staaten fusioniert“. Jetzt, nach dem Fall der Sozialgesetze, komme Deutschland zu sich: Die Ossis sollten mal stolz sein.

Die ganze Zeit über ließ Stölzl keinen Zweifel daran aufkommen, dass sein Begriff von Freiheit deckungsgleich mit dem der Nation ist. So bemerkte er etwa süffisant an, dass der Westen ja nach der Wende einen erheblichen finanziellen Aufwand für die Ex-DDR getrieben habe, während man Österreich „beispielsweise“ nicht unterstützt habe. Es ist Frieden in Deutschland, endlich, so strahlte es vom Podium herunter, und das Publikums beklatschte brav alles, was auch nur ein bisschen wie ein Bonmot roch. Nach dieser Veranstaltung fällt es schwer dran zu glauben, dass in der Akademie der Künste ein über das Frühstücksfernsehen hinaus gehendes Niveau gefragt ist. Jörg Sundermeier