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Frigider Pandabärin droht Abschiebung

Wenn der Senat bis zum 14. Dezember keinen verlängerten Aufenthalt für Yan Yan beantragt, muss das Tier im April 2000 zurück nach China – ohne dass es dem Zoo Nachwuchs geschenkt hat  ■   Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova

Es ging von Anfang an nur um Sex. Durch ein „Memorandum über die gemeinsame Forschung auf dem Gebiet der Fortpflanzung“ der Partnerstädte Berlin und Peking notdürftig kaschiert, kam die Pandabärin Yan Yan vor viereinhalb Jahren in den Berliner Zoo. Dabei war allen Beteiligten klar, dass sie ausschließlich dem Pandamännchen Bao Bao einheizen und dem Zoo Nachwuchs schenken sollte. Nun ist die auf fünf Jahre begrenzte Liebesmission gescheitert, der Aufenthalt von Yan Yan läuft im April 2000 ab. Die Abschiebung droht.

Dabei wurde nichts unversucht gelassen, die Dame in Wallung zu bringen. Weil Pandabären gewöhnlich nur einmal im Jahr – im April oder Mai – für drei bis vier Tage paarungsbereit sind, sollte Yan Yans Hormonkurve bereits vor ihrer Ankunft zu Ostern 1995 außerplanmäßig hochgetrieben werden. Auf dem Flug von Peking wurde ihr der erste Stimulus verabreicht: Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen begleitete sie. Die Chinesen, die bekanntermaßen von der Pandaforschung einiges verstehen, hatten darauf bestanden. Doch als Yan Yan nach 14 Stunden Flug in Berlin eintraf, war sie alles andere als erregt.

Aber die Zoologen waren guter Dinge, dass es zwischen Yan Yan („Die Niedliche“) und Bao Bao („Schätzchen“) funken könnte – obwohl sie als „zickig“ galt und bei Zuchtausleihen in China keinerlei Anzeichen einer Schwangerschaft gezeigt hatte. Sie galt als „erste Wahl“ und sein Samen als „sehr gut“. Experten prognostizierten, dass der damals 17-jährige Bao Bao seinen zweiten Frühling erleben würde.

Während die damals 10-jährige Yan Yan noch gänzlich unerfahren in Liebesdingen war, hatte Bao Bao bereits Erfahrungen mit Frauen gemacht – jedoch keine guten. Seine frühere Gefährtin Tien Tien war an einer Viruskrankheit gestorben. Als er zur Paarung mit Ming Ming in den Londoner Zoo verfrachtet wurde, mussten die Wärter am Ende mit einem Feuerlöscher dazwischen gehen.

So weit kam es in Berlin gar nicht erst. Es verging ein Frühjahr nach dem anderen, ohne dass sich Yan Yan paarungsbereit zeigte. Weil es bei den Pandas die Weibchen sind, die die Männchen anmachen, musste sie sich eingehenden Untersuchungen unterziehen. Ergebnis: Die Geschlechtsorgane sind in Ordnung, doch ihre Eierstöcke sind in der Entwicklung zurückgeblieben.

Dann begann man, die Schuld bei Bao Bao zu suchen. Weil Pandabären nur bis zum zwanzigsten Lebensjahr zeugungsfähig sind, kamen Zweifel auf: Ist er zu alt? Doch eine mit leichten Elektroschocks herbeigeführte Ejakulation zeigte, dass er es noch bringen könne. Dreimal wurde Yan Yan künstlich befruchtet, dreimal stieg ihre Hormonkurve leicht an, dreimal fieberte die ganze Stadt mit. Doch trotz „wunderschöner Brunstzeichen“ knabberte Bao Bao lustos am Bambus.

Als wäre Yan Yan mit ihrer Kinderlosigkeit nicht schon genug gestraft, steht ihr nun die demütigende Rückkehr nach China bevor. Eine Verlängerung ihres Aufenthalts, der von Chinas Ministerpräsidenten Li Peng und dem ehemaligen Kanzler Kohl eingefädelt worden war, wäre unter zwei Bedingungen möglich: Der Senat müsste bis zum 14. Dezember einen Antrag stellen, das chinesische Forstministerium und das deutsche Bundesamt für Naturschutz müssten zustimmen.

Nach Angaben des Chefs der Senatskanzlei, Volker Kähne, gab es bereits Gespräche mit China. Ausserdem sei denkbar, Yan Yan gegen eine andere Bärin auszutauschen. Im Zoo indes übt man sich in Geduld. „Zu viel Druck wäre unhöflich“, sagt der Zoologe Heiner Klös. Auch er hält es nicht für angebracht, weiter mit Yan Yan zu experimentieren. „Moralisch, politisch und rechtlich wäre es vertretbarer, eine Bärin mit einer anständigen Hormonkurve einzufliegen.“ Doch das kostet Geld – Geld, das Berlin nicht hat. Von Bedingungen wie im Zoo von San Diego in Kalifornien, der für 12 Millionen Dollar zwei Pandabären für zehn Jahre ausgeliehen hat, kann Klös nur träumen. „Das können wir uns absolut abschminken.“ Außerdem müsse man realistisch sein: „Es war klar“, sagt Klös rückblickend über Yan Yan, „dass wir für ein Taschengeld keinen Rolls-Royce kriegen“.

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