: Ein Meister der politischen Kehrtwendung
■ Einst schärfster Gegner der CDU-Innensenatoren ist SPD-Politiker Hans-Georg Lorenz auf einen Schmusekurs umgeschwenkt. In der SPD galt er als „Schönbohms Schoßhund“
Er ist einer der schillerndsten Politiker in der SPD, ein brillanter Redner, der seine Positionen stets mit Verve vertritt. Doch jetzt macht er seinem Ruf als Enfant terrible wieder alle Ehre. Hans-Georg Lorenz, Rechtsanwalt und seit zehn Jahren innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, denkt laut darüber nach, das Demonstrationsrecht einzuschränken: Nicht jede Demonstration müsse am Brandenburger Tor stattfinden und dort zum Verkehrskollaps führen.
Eine bemerkenswerte Position für einen, der sich zur Parteilinken rechnet. Noch dazu liegt Lorenz damit auf einer Linie mit CDU-Innensenator Eckart Werthebach. Lorenz ist sich bewusst, dass sein Vorschlag in der SPD-Fraktion umstritten ist, doch das ficht ihn nicht an. Der 56-Jährige, der bei der Wahlparty der SPD-Spandau auf einen Stuhl stieg und eine flammende Rede für den Gang in die Opposition hielt, ist die Rolle als einsamer Rufer in der Wüste gewohnt. Auch die Kunst der politischen Kehrtwendung beherrscht Lorenz meisterlich. Ein Jahr lang forderte er im Innenausschuss den Rücktritt von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky, doch als die Grünen einen Abwahlantrag gegen Saberschinsky einbringen wollten, unterstützte Lorenz dies nicht – aus Koalitionsräson.
Eingeknickt ist Lorenz auch bei der Schleierfahndung. Noch Mitte 1998 war er als entschiedener Gegner von verdachtsunabhängigen Polizeikontrollen aufgetreten. Doch dann machte die CDU Druck. Im Frühjahr 1999 einigten sich Innenpolitiker von CDU und SPD auf einen Kompromiss: Die Schleierfahndung wird eingeführt, muss aber stets vom Polizeipräsidenten angeordnet werden. Auch die umstrittene Umwandlung der Freiwilligen Polizeireserve in einen Freiwilligen Polizeidienst trug Lorenz mit. Nur die Forderung nach Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen und die Einführung des polizeilichen Todesschusses lehnte er standhaft ab.
Wolfgang Wieland, innenpolitischer Sprecher der Grünen, erinnert sich: „Seine große Stunde hatte Lorenz als schärfster Kritiker von CDU-Innensenator Dieter Heckelmann.“ Gegenüber Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) sei Lorenz dann auf einen Schmusekurs umgeschwenkt. In der SPD-Fraktion trug Lorenz das den Ruf ein, er sei „Schönbohms Schoßhund“.
Lorenz, nicht nur politisch ein Schwergewicht, kontert: „Wenn ich mich bei jemanden auf den Schoß setze, macht der keine gute Figur.“ Scharfe Kritik übte Lorenz an Werthebachs Versagen beim Schutz des israelischen Generalkonsulats, doch in der Parlamentsdebatte ließ er überraschende Milde walten.
Noch hat die SPD-Fraktion nicht entschieden, wer künftig welche Sprecherfunktion übernimmt. Lorenz erklärte gestern, er könne sich vorstellen, ein anderes Ressort zu bearbeiten. „Ich sehe aber noch keinen Nachfolger.“
Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen