: Und weiter darf gewartet werden
Feyenoord Rotterdam ohne Fans und Spielkunst – dennoch reichte es für Borussia Dortmund in der Champions League nur zum 1:1 ■ Aus Dortmund Ulrich Hesse-Lichtenberger
Als am Mittwoch das angeblich vorentscheidende Champions-League-Spiel zwischen Borussia Dortmund und Feyenoord Rotterdam angepfiffen wurde, waren viele der abseitigen Fußwege rund um das Westfalenstadion in bedrohliches Dunkel getaucht. Die Nachzügler und die Lungerer, die sich hier vorwärts tasteten, sahen kaum die Hand vor Augen. Manchmal aber glaubten sie, rechts und links winzige schwankende Lichtpunkte zu bemerken, wie funkelnde Augen eines Waldschrats. Halluzinationen, sagten sie sich und gingen schneller.
Doch die Lichter waren wirklich da. Sie kamen aus jenen kleinen Lämpchen, die in die Steigbügel berittener Polizisten eingelassen sind, als eine Art Kavallerie-Warnbeleuchtung. Diese Polizisten saßen regungslos und schweigend an den Wegesrändern auf ihren Pferden und fassten sich in Geduld. Sie warteten auf die Rotterdamer Hooligans.
Viele Gästefans waren schon auf den Autobahnen abgefangen worden. Dennoch sicherte ein Dortmunder Rekordaufgebot von 1.600 Bundesgrenzschützern und Polizisten Stadt und Stadion vor den Hunnen aus dem feindlichen Westen. Niemand bezweifelte, dass es früher oder später Ärger geben würde, und so wurde bis dahin eben geschwiegen und gewartet.
Im Stadion selbst war es währenddessen nicht viel anders. Auf der Gästetribüne wurde wirklich geschwiegen, gezwungenermaßen indes, weil sie nämlich gruselig leer war. Die Borussen und ihr Publikum verbrachten den größten Teil der Spielzeit mit Warten. Zum einen auf die Sorte von Tor, die man immer als „erlösend“ bezeichnet: Als Otto Addo endlich per Kopf traf (45.), war man schon so ans Warten gewöhnt, dass auch gleich noch des 2:0 geharrt wurde, das bei der schon fast irritierenden Dortmunder Überlegenheit unvermeidlich schien und dieses Spiel sicher entschieden hätte.
Zum anderen wartete Dortmund auf die Holländer. Auf die Fußballer, wohlgemerkt, nicht die Hooligans. Denn dass der Mannschaftskapitän der Rotterdamer Konterman heißt, muss nach Feyenoords Leistung vom Mittwoch als Grille des Schicksals abgebucht werden – oder als Beweis, dass der Zufall einen Sinn für Sarkasmus hat.
„Wir haben in der ersten Halbzeit nicht gespielt“, sagte Gästetrainer Leo Beenhakker später und merkte dann zögerlich an: „Zu Beginn der zweiten Halbzeit auch nicht.“ Eigentlich hätte er noch hinzufügen müssen: „Und den Rest der Begegnung haben wir uns so über die Runden geknickert.“
Die Borussia agierte erheblich besser als zuletzt, wenn auch nicht gerade „hervorragend“, wie Trainer Michael Skibbe im Überschwang meinte. Feyenoord bot eine blamable Vorstellung, was kaum daran gelegen haben kann, dass zwei Stammkräfte fehlten.
Wer miterleben durfte, wie zwei Rotterdamer Verteidiger eine Ecke verursachten, weil sie sich im Kopfball duellierten, wie ein anderer aus Angst vor dem kleinen Dédé den Ball freiwillig ins Toraus schlug oder wie Keeper Dudek sich selbst tunnelte, der kann kaum glauben, dass diese Combo nach dem fünften Unentschieden in fünf Spielen noch immer mit dem BVB um den Einzug in die Zwischenrunde streitet. Reina, Bobic und Nerlinger trafen sogar aus Nahdistanz das Tor nicht. Dafür schnibbelte Peter van Vossen in der 72. Minute einen unverschämten Ball zum 1:1 ins Netz, der selbst seine Mitspieler so verblüffte, dass sie erst mit Verzögerung zaghaft die Arme hoben.
Und so schlichen die Dortmunder Fans nach dem Schlusspfiff kopfschüttelnd in die Nacht – ein Sinnbild für die Lage der deutschen Vereine in der Champions League: Erst jubelt man, weil nicht verloren wird, später muss man hadern, weil nicht gewonnen wird. Dann tauschten die Anhänger noch kurz fragende Blicke mit den frierenden Polizisten aus – Habt ihr Holländer gesehen? Nein, wir auch nicht. – und beschlossen, eben aufs letzte Gruppenspiel in Porto zu hoffen.
Es darf also weiter gewartet werden.
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