: Gligorovs Nachfolger wird es schwer haben
Der makedonische Präsident sicherte dem Land die Stabilität. Nun ist seine Amtszeit abgelaufen ■ Aus Skopje Erich Rathfelder
Totgesagte leben länger. Makedonien, dem kleinen Vielvölkerstaat auf dem Balkan, wurde schon mehrmals die „Explosion“ vorausgesagt, die Krise, das Auseinanderbrechen. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Mit der Wahl eines neuen Staatspräsidenten, die gestern stattgefunden hat, scheint die südlichste Republik des ehemaligen Jugoslawiens sogar in eine Phase der weiteren Beruhigung einzutreten.
Der scheidende Staatspräsident, der 82jährige Kiro Gligorov, war einer der profiliertesten Politiker des Balkan. Als letzter Überlebender der Generation Titos stemmte er sich Ende der Achtzigerjahre gegen das Auseinanderbrechen Jugoslawiens. Als die Risse nicht mehr zu kitten waren, führte er trotz der Widerstände fast aller Nachbarn das Land in die Unabhängigkeit. Ihm gelang es sogar, die jugoslawische Armee zu einem friedlichen Abzug zu bewegen. Seiner Politik ist es zu verdanken, dass Makedonien sich gegenüber den Ansprüchen Serbiens, Bulgariens, Griechenlands und Albaniens behaupten konnte.
In den letzten Jahren, vor allem nach einem Anschlag auf sein Leben 1995, konnte Gligorov seine Amtsmüdigkeit nicht mehr verbergen. Jeder Nachfolger wird es schwer haben, ihn zu ersetzen. Es besteht jetzt aber auch die Chance, neue Akzente zu setzen, das Amt des Präsidenten neu zu definieren.
Denn mit der seit dem Herbst letzten Jahres regierenden Koalition der makedonischen Nationalpartei „VMRO – Demokratische Partei der makedonischen nationalen Einheit und demokratischen Alternative“, der „Demokratischen Alternative“ des Aussenministers Vasil Tuporkovski und der bisher kleineren der beiden Albanerparteien DPA des Arben Xhaferi ist eine interessante Konstellation entstanden. Die Nationalisten der slawischen Mehrheitsbevölkerung, die VMRO also, gingen eine Koalition mit der Partei der Albaner ein, die offen die kosovoalbanische Untergrundarmee UÇK unterstützt hat. Und dieser Konstellation ist es sogar gelungen, die große Krise, die mit dem Krieg im Kosovo ausgelöst wurde, die Massenflucht, zu meistern. Mehr noch, diese Koalition steht für die Stabilisierung des vom makedonisch-albanischen Gegensatz gezeichneten Staates Makedonien ein.
So ist es kein Wunder, dass dem Kandidaten der VMRO, dem erst 43 Jahre alten Boris Trajkovski, Chancen eingeräumt werden, die relative Stimmenmehrheit im ersten Wahlgang zu erlangen. Zumindest hoffen dies viele Diplomaten aus der EU. Denn Trajkovski hat sich in dem ruhig geführten Wahlkampf für die Anlehnung an den Westen und die Nato ausgesprochen. Im Inneren verspricht er, die Spannungen zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen weiter abbauen zu helfen.
Aber auch die anderen fünf Kandidaten, die sich gestern den rund 1,6 Millionen Wählern stellten, haben – mit Abstufungen – grundsätzlich keinen anderen Kurs anzubieten. Lediglich bei Tito Petkovski, der von den sich Sozialdemokraten nennenden Ex-Kommunisten unterstützt wird, waren Töne der Dissonanz zu vernehmen. Der Ex-Kommunist gehört mit seinen 54 Jahren noch der nach Belgrad ausgerichteten Generation an, die sich schwer tut damit, den Kurs des Landes eindeutig prowestlich zu definieren. Wie seine Partei versuchte er mit der Schürung nationalistischer Ressentiments gegen die Albaner Stimmen zu gewinnen. Gelänge es ihm, die Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinigen, wäre die Politik der Regierung Ljupco Georgievski wohl gefährdet.
Chancen rechnet sich auch Außenminister Vasil Tuporkovski aus. Der mit seinen 48 Jahren schon sehr erfahrene Politiker, einstmals Mitglied des jugoslawischen Staatspräsidiums und als solcher ebenfalls Funktionär des ehemaligen Bundes der Kommunisten, steht zwischen beiden Lagern. Der korpulente, sich kumpelhaft gebende Politiker will der Wirtschaft auf die Beine helfen und verspricht, Millionenbeträge für die darbende Wirtschaft im Ausland aufzutreiben.
Das albanische Lager ist weiterhin gespalten. Die mit den Ex-Kommunisten verbündete „Partei der demokratischen Prosperität“ gilt weitgehend als korrupt. Mehr albanische Stimmen will Muharem Nexhipi von der mitregierenden DPA , der „Nationaldemokratischen Partei“, auf sich vereinigen. Vor allem diese Strömung der Albaner rechnet sich im zweiten Wahlgang aus, Zünglein an der Waage zu sein. „Wenn Trajkovski in die Stichwahl kommt, werden wir ihn unterstützen,“ sagt Ernad Fejzulahu, albanischer Minister in der Regierung, „aber mit Bedingungen.“ Albanisch soll als gleichberechtigte Sprache anerkannt, alle diskriminierenden Gesetze abgeschafft werden. Außenpolitisch erhofft man sich, dass Makedonien die Forderung nach der Unabhängigkeit Kosovos unterstützen wird. Die Unabhängigkeit des Kosovo sei keineswegs ein Funken für die Explosion in Makedonien, sondern ein Beitrag zur Stabilisierung der Region, meinen die Albaner. Zumindest einer der anderen Kandidaten sieht dies auch so: Der Populist Vasil Tupurkovski hoffte mit dieser Position, albanische Stimmen zu gewinnen.
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