: Joschka legt Gerichte lahm
■ Der Regierungsumzug beschert dem Berliner Verwaltungsgericht 2.000 Verfahren pro Jahr – vor allem gegen das Auswärtige Amt. Trotzdem gibt es vorerst kein neues Personal
Dass mit dem Umzug der Bundesregierung auch neue Aufgaben auf die Stadt zukommen, stößt nicht überall auf Begeisterung. Das Verwaltungsgericht, das schon lange über Überlastung klagt, sieht sich dadurch einer unzumutbaren Mehrbelastung ausgesetzt.
Ausländer, denen das Auswärtige Amt ein Visum für Deutschland verweigert hatte, mussten sich bisher an das Verwaltungsgericht Köln wenden. Seit dem Regierungsumzug ist das Berliner Verwaltungsgericht für diese Verfahren zuständig. Eine Vorstellung von der zusätzlichen Arbeit liefert die Anzahl der Verfahren, die 1998 in Köln bearbeitet wurden. Dabei handelte es sich um 1.560 Visa-Verfahren, etwa 100 Verfahren nach dem Konsulargesetz und etwa 100 beamtenrechtliche Streitigkeiten gegen Bundesbehörden.
Der Präsident des Berliner Verwaltungsgerichts, Alexander Wichmann, befürchtet dadurch „eine längere Dauer aller Verfahren“. Weil es bisher schon schwierig gewesen sei, „die Arbeit ordentlich zu bewältigen“, bestehe nun ein Mehrbedarf von mindestens zwei zusätzlichen Kammern. In Köln wurden die Visaangelegenheiten von drei Kammern bearbeitet, die noch für andere Sachgebiete zuständig waren. Wichmann räumt zwar ein, dass es zugleich eine gewisse Entlastung durch den Wegzug von Behörden aus Berlin gebe. Doch allein die anvisierten 1.700 Ausländerangelegenheiten seien ohne zusätzliches Personal nicht zu verkraften, betont er.
Der Richterrat des Verwaltungsgerichts hat Anfang September bei Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) einen Mehrbedarf von drei neuen Kammern gefordert. Begründung: Zum einen sei bei Visa-Verfahren eine „steigende Tendenz“ zu erwarten, zum anderen sei das Gericht schon jetzt überlastet. „Von 1990 bis 1998 sind die Eingänge von 12.900 auf 24.500 gestiegen, während die Richterstellen nur von 76 auf 113 vermehrt wurden“, heißt es in dem Schreiben. Richter Percy McLean, Vorsitzender des Richterrates: „Es ist unzumutbar, uns im Regen stehen zu lassen.“ Zudem sei es „sehr ärgerlich“, dass die Einrichtung zusätzlicher Kammern nur „halbherzig“ betrieben werde.
Auf eine kleine Anfrage des rechtspolitischen Sprechers der Grünen, Norbert Schellberg, antwortete Körting, dass die Mehrbelastung „bei der personellen Ausstattung des Gerichts berücksichtigt“ werde. Was das heißt, ist derzeit aber völlig offen. Nach Angaben von Justizsprecherin Svenja Schröder-Lomb werde bis Jahresende die Gesamtgeschäftsbelastung des Gerichtes geprüft, erst dann könne man Genaueres sagen. B. Bollwahn de Paez Casanova
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