: Ralf H. Borttscheller als Plastik-Kassiber
■ Staatsanwaltschaft prüft „Anfangsverdacht“ gegen den CDU-Politiker / Ermittlungsverfahren gegen den Schausteller Renoldi wegen versuchter „Begünstigung“ von Knast-Vollzugsbeamten
Der Schausteller Klaus Renoldi, der jüngst in Nürnberg wegen versuchten Mordes zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, muss sich jetzt auch wegen Begünstigung verantworten. Er sitzt seit Tagen schon „zu Hause“ in Bremen-Oslebshausen im Gefängnis. Dort hatte er in der vergangenen Woche einem seiner Wärter einen dicken Umschlag mit mehr als 100 Freikarten und Gutscheinen für den Freimarkt im Wert von mehr als 500 Mark gegeben. „Damit können Sie besser was anfangen als ich“, soll Renoldi gesagt haben.
Der Beamte lieferte den Umschlag allerdings bei der Anstaltsleitung ab und die schaltete die Staatsanwaltschaft ein – der Ankläger Uwe Picard führt seitdem ein Ermittlungsverfahren wegen des Versuchs der Begünstigung.
Pikant an dem neuen Verfahren gegen Renoldi ist jedoch der Weg, wie der Umschlag mit den Freikarten zu dem Schausteller gefunden hat. Diesen hat der Strafgefangene von seinem Anwalt Ralf Borttscheller übergeben bekommen – die Anstaltsleitung prüft Anwaltspost nicht in dem Vertrauen, dass Anwälte ihre rechtlichen Pflichten kennen. Wenn Anwalt Borttscheller um den Inhalt des Briefumschlages gewußt hätte, dann hätte er Beihilfe zur Begünstigung geleistet.
Ex-Innensenator Bortscheller versicherte gegenüber dem Weser Kurier denn auch, er habe nur Fotos in dem Umschlag gesehen: „Sonst hätte ich die Übergabe schon aus Verantwortung für meinen Mandanten verhindert.“ Wenn Borttscheller nicht wusste, was er da in den Knast hineinträgt, dann hat er das einem Anwalt entgegengebrachte Vertrauen missbraucht, sagt man in der Justizbehörde.
„Die Rolle der verfolgten Unschuld steht Ralf Borttscheller nicht“, erklärte der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner dazu. „Natürlich muss ein Anwalt sicherstellen, dass er nicht für illegale Kurierdienste benutzt wird.“
Aber es gibt auch erhebliche Zweifel daran, ob Borttscheller die Wahrheit sagt. In dem DIN A 4-Umschlag waren neben den Freikarten eine ganze Reihe von Banderolen und Plastik-Chips. „Das merkt man schon, wenn nur drei Chips drin sind“, sagt die Sprecherin der Justizbehörde. Und der stellvertretende Leiter der JVA in Oslebshausen, Reinhard Peter, weiß, dass „eine größere Menge Plastik-Chips“ in dem Umschlag klapperten: „Man hätte merken müssen, dass mehr als Bilder drin waren.“
Den Umschlag hatte der Anwalt von Frau Trudy Renoldi erhalten, die Borttscheller auch persönlich kennt. Frau Renoldi wollte gestern aber „gar nichts“ dazu sagen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein „Anfangsverdacht“ der Beihilfe gegen besteht. Ein Verfahren kann gegen Bürgerschaftsabgeordnete aber erst eröffnet werden, wenn die Immunität aufgehoben ist.
Die gezielte „Beschenkung“ von Beamten und Politikern, die auf die Vergabe von Standplätzen für Schausteller Einfluss haben, ist keine Seltenheit. Unter Schaustellern wurde sogar eine Sammlung gemacht, wo von angeblich dem inzwischen wegen Bestechlichkeit angeklagten Marktmeister Wolfgang Ahrens eine Hochzeitsreise spendiert wurde. Dass insbesondere die Renoldi-Familie auf dem Frei- und auf dem Weihnachtsmarkt mehrere große Geschäfte aufstellen darf, wird von weniger erfolgreichen Schaustellern auf Geschenke und Parteispenden an die CDU und auf die guten Beziehungen zum Marktmeister und Borttscheller zurückgeführt. K.W.
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