■ Mit Verkehrsinvestitionen auf Du und Du: Spielstand: 53 zu 47
Berlin (taz) – Bei der Verabschiedung des Verkehrsinvestitionsprogramms 1999 bis 2002 hat die Koalition gestern eine Entscheidung zugunsten der Bahn getroffen: Zwar wird auch im Verkehrsministerium gespart, der Schienenverkehr soll aber verschont bleiben. Dadurch steigt der Anteil der Investitionen in das Schienennetz relativ gesehen um 1,3 Milliarden Mark im Vergleich zur Straße.
Bis zum Jahr 2002 fließen 5,4 Milliarden Mark in das Schienennetz: 400 Millionen Mark in die Lärmsanierung von Trassen, 800 Millionen Mark in Bahnübergänge, 1,2 Milliarden Mark in S-Bahnen und 3 Milliarden in den Bau der privat vorfinanzierten und umstrittenen Strecke München–Ingolstadt–Nürnberg.
Dem Sparpaket des Finanzministers zum Opfer fielen – vorerst zumindest – auch vier Projekte, die schon seit langem umstritten waren: 1. die Autobahn 94 durch das Isental zwischen München und Passau. Hier fordern die Grünen, keine neue Verbindung zu bauen, sondern die bereits bestehende Bundesstraße 12 südlich des Isentals zu nutzen. Dann die Nordumgehung von Hamburg, mit der die Ostsee-Autobahn 20 westlich von Lübeck weitergeführt werden sollte, der Streckenabschnitt der Ost-West-Autobahn 4 durch das Rothaargebirge in NRW und die weitere Kanalisierung der Donau.
Diese Projekte sind mit dem Koalitionsbeschluss jedoch nicht endgültig vom Tisch, sondern nur bis nach 2002 auf Eis gelegt worden. Schließlich stehen sie nach wie vor im Verkehrswegeplan, der bis 2010 gültig ist. „Es handelt sich um einen Aufschub, der die Gelegenheit bietet, noch einmal über Sinn und Unsinn der Vorhaben nachzudenken“, sagte ein Verkehrsexperte der Grünen.
So scheint beispielsweise langfristig der Weiterbau der A 20 von Lübeck in Richtung Westen als Nordumgehung von Hamburg wahrscheinlich.
Der Kick für eine zumindest den Zahlen nach bahnfreundlichere Verkehrspolitik kommt – unbeabsichtigt – auch aus dem Finanzministerium. Es wird nicht mehr Geld für die Bahn ausgegeben, aber dank der Sparpläne des Finanzministers wächst der Anteil der Investitionen in die Bahn am Gesamtetat. So kommen sich die Regierungsparteien mit der gestrigen Verabschiedung des Investitionsplans näher: Im Koalitionsvertrag steht, es werde eine Angleichung der Investitionen in die Schiene an die Straßen-Investitionen angestrebt.
Die Realität sah bislang so aus: In Westdeutschland fließen 55 Prozent von rund 29 Milliarden Mark vorgesehener Finanzmittel in die Schiene, 45 Prozent davon in die Straße. In Ostdeutschland stehen mit insgesamt 32 Milliarden Mark mehr Mittel als im Westen zur Verfügung; allerdings wird dort nur etwa jede dritte Mark für die Bahn ausgegeben; der Bau von Autobahnen und Bundesstraßen hat Priorität.
Für Gesamtdeutschland bedeutet das Verkehrsinvestitionen im Verhältnis von etwa 53 zu 47 zu Gunsten der Straße. Mit der Verabschiedung des Investitionsprogramms verschiebt sich dieses Verhältnis in die Nähe der angestrebten 50 Prozent für jede der beiden Verkehrswegearten. In der Rechnung nicht enthalten sind die Wasserstraßen, die im Programm mit 3,6 Milliarden Mark zu Buche schlagen.
Katharina Koufen
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