: Milliardendeal beim Milliardenvolk
■ Bundeskanzler Schröder will heute in Peking Absichtserklärungen über Großaufträge unterzeichnen. China fordert er zu Rechtsstaatlichkeit und Informationsfreiheit auf
Shanghai (AP/dpa) – Beim Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder in China sollen heute in Peking Wirtschaftsverträge im Gesamtwert von 5,9 Milliarden Mark unterzeichnet werden. Wie gestern aus Delegationskreisen in Shanghai verlautete, werden die beiden Absichtserklärungen im Beisein Schröders und des chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji in Peking unterzeichnet.
Dabei handelt es sich um ein so genanntes „Memorandum of understanding“ über die Errichtung einer petrochemischen Fabrik zur Herstellung von Kunststoffvorprodukten eines Joint Ventures der deutschen BASF und der staatlichen Firma Sinopec im Umfang von fünf Milliarden Mark. Bei der zweiten Absichtserklärung handle es sich um einen so genannten „Letter of intent“, an dem Bayer und eine Shanghaier Firma beteiligt seien. Es gehe dabei ebenfalls um die Herstellung von Kunststoffvorprodukten, der Wert wurde auf 900 Millionen Mark beziffert. Da die Unterzeichnung im Beisein der beiden Regierungschefs erfolge, sei die Genehmigung der Abkommen nur noch Formsache.
Der Autokanzler begann seinen zweiten China-Besuch am Morgen in Anting bei Shanghai mit der Besichtigung eines Werks seiner Lieblingsmarke. Schröder setzte bei VW eine neue Fertigungslinie für den Bau eines Passat-Modells in Betrieb.
Vor deutschen Managern forderte Schröder erneut eine stärkere und baldige Einbeziehung Chinas in internationale Wirtschaftsstrukturen. Eine weltwirtschaftliche Kooperation werde ohne Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation nicht realisierbar sein, meinte er. Er wolle sich gegenüber der Pekinger Führung für eine stärkere Öffnung des chinesischen Marktes einsetzen.
In einer Diskussion mit Intellektuellen forderte Schröder China zu mehr Rechtsstaatlichkeit auf. China habe Beachtliches bei den wirtschaftlichen Reformen erreicht. Doch nun müsse ein ehrlicher Dialog darüber beginnen, was Rechtsstaatlichkeit in der Wirtschaft für das Strafrecht und die Verwaltung bedeute. Ein wesentlicher Teil von Rechtsstaatlichkeit sei Informationsfreiheit.
Am frühen Abend besichtigte Schröder eine ehemalige Synagoge in Shanghai. Damit gedachte er des Schicksals von 25.000 europäischen Juden, die während des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis nach Shanghai geflohen waren.
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