: Die Mutter aller Talkshows
■ Vom Straßenfeger zum Evergreen: Die Radio-Bremen-Erfindung „3 nach 9“ wird heute abend 25 Jahre alt
Wissen Sie noch, wo Sie waren, als Fritz Teufel den damaligen Bundesminister Hans Matthöfer mit einer Wasserpistole bespritzte? Höchstwahrscheinlich haben Sie es live im Fernsehen gesehen, denn zu der Zeit war „3 nach 9“ noch ein Straßenfeger. Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, dass damals fast alle die gleiche Talkshow sahen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil es nur die eine gab.
Live waren in den frühen 70er Jahren im Fernsehen nur die Nachrichtensendungen, die „Sportschau“ und der „Musikladen“ von Radio Bremen. Und dort saß ein Revolutionär des deutschen Fernsehens: Mike Leckebusch. Egal, wenn er später mit seinen penetranten Oben-Ohne-Go-Go-Girl-Videoshows zum Gespött des Dritten Programms wurde: „Beatclub“ und „Musikladen“ waren epochale Großleistungen, und auch am Konzept von „3 nach 9“ hat er mitgebastelt. Bei den ersten Folgen sieht man ihn manchmal am Bildrand an seinem Regiemischpult sitzen – Ehre wem Ehre gebührt.
Ansonsten ist es schwer, „3 nach 9“ auf einzelne Persönlichkeiten zu reduzieren. Natürlich erinnert man sich an die ersten Moderatoren wie Wolfgang Menge, Gert von Pascensky, Karlheinz Wocker oder Marianne Koch, aber in den 25 Jahren waren es insgesamt 48 verschiedene GastgeberInnen (darunter auch Helmut „Immer an die Leser denken“ Markwort, Ilja „Disco“ Richter und Carmen „Schalke 05“ Thomas), und verändert hat sich dafür erstaunlich wenig. Das Konzept ist, von Details abgesehen, noch das Gleiche wie vor einem Vierteljahrhundert und Gottfried Böttger klimpert inzwischen zwar während der Sendungen mehr im Internet als auf seinem Klavier, aber ansonsten ist er so gut wie die Sendung gealtert.
Am runden Tisch darf hier immer noch jeder jeden unterbrechen. Das kann böse schiefgehen wie vor einigen Monaten, als Werner Schroeter alle zusabbelte, aber meist ist das kontrollierte Chaos dann doch eher fruchtbar und in manchen Momenten extrem unterhaltsam. Man braucht sich nur die KollegInnen von der NDR-Talk-show anzusehen, die das gleiche versuchen, dabei aber viel gröber und spekulativer zwischen die Gäste fahren, um zu erkennen, wie gut das gemacht wird.
Seit gut zehn Jahren moderiert nun Giovanni di Lorenzo, und ihn musste man spätestens in dem Moment ins Herz schließen, als er Senta Berger gestand, sie sei eine der wenigen Frauen, die er hätte heiraten wollen, worauf sie ihn trocken fragte, wann er denn geboren sei.
Von Co-Moderatorin Amelie Fried hat es solch eine entwaffnend offenherzige Selbstenthüllung noch nicht gegeben, sie ist ja auch erst seit einem guten Jahr mit an Bord, und sie gestattet ihrem Kollegen Giovanni aus alten Münchener Radiozeiten immerhin das Ritual, ihr in den Sekunden vor jeder Sendung in den Po zu kneifen. Allzuviel Glück braucht man den beiden für ihre Jubliäumssendung heute abend (22.00 bis 0.30 Uhr in N3) wohl nicht zu wünschen, denn mit Moderationsveteranen wie Wolfgang Menge, Marianne Koch, Carmen Thomas und Lea Rosh als Gästen ist sie wohl ein Selbstläufer, bei dem allein schon die Best-of-Ausschnitte aus den früheren Sendungen die gute Stimmung garantieren.
Glückwunsch und alles Gute also! Nur schade, dass Teufel und Matthöfer nicht nochmal kommen. Mit denen würde es garantiert nochmal hoch her gehen.
Wilfried Hippen
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