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Gesundheitsreform auf Titanic-Kurs

Bei der Schlussdebatte über die Gesundheitsreform kommt es zum Eklat, weil Rot-Grün eine fehlerhafte Fassung vorgelegt hat. Die Oppostion sieht sich in ihrer ablehnenden Haltung noch mehr bestätigt  ■   Von Tina Stadlmayer

Berlin (taz) – Chaos im Bundestag. Einige falsche Passagen in den über 300 Seiten umfassenden Änderungsanträgen der Regierung zu ihrem eigenen Entwurf der Gesundheitsreform haben gestern dazu geführt, dass die Debatte auf Antrag der Opposition ausgesetzt wurde. Auf Wunsch des Ältestenrats trat daraufhin der Gesundheitsausschuss zusammen, der mit den Stimmen der Koalition eine Abstimmung über die Reform noch für den gestrigen Donnerstag beschloss. Bis Redaktionsschluss war nicht klar, ob der Ältestenrat dem zustimmen würde.

Geradezu flehentlich hatte Gesundheitministerin Andrea Fischer zu Beginn der Debatte die Union um Mitarbeit an einem Kompromiss gebeten. In ihrer Rede lud sie die Union und die Vertreter der Bundesländer für die kommende Woche zu einem Gespräch über mögliche Gemeinsamkeiten ein. Die Regierung brauche für ihr Gesetz die Zustimmung der Länder und werbe dafür.

Doch Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble liess die Ministerin abblitzen: „Auf der Grundlage dieses Gesetzenwurfes“ könne er sich eine Zusammenarbeit nicht vorstellen. Die bayerische Gesundheitministerin Barbara Stamm wurde noch deutlicher: „Es ist ihnen missglückt, in unappetitlicher Weise die Ostländer einzukaufen. Nein, so können wir nicht miteinander reden.“ Sie warf der Bundesregierung vor, mit einem Hilfsangebot an die verschuldeten Krankenkassen im Osten die Zustimmung der neuen Bundesländer zur Gesundheitsreform erkaufen zu wollen. Andrea Fischer wehrte sich gegen den Vorwurf, „es handle sich um einen Trick, um Zustimmung zu erpressen“, und kassierte dafür schallendes Gelächter von der Union.

Unversöhnlich standen sich bei der Debatte die zwei Grundideen gegenüber, mit denen die Regierung auf der einen und die Union auf der anderen Seite die Kostenexplosion im Gesundheitswesen in den Griff bekommen wollen. Die rot-grüne Koalition setzt mit ihrer Strukturreform darauf, dass die Ausgaben nicht über den Einnahmen der Krankenversicherungen liegen dürfen und die Beträge zur gesetzlichen Versicherung stabil bleiben sollen.

Die Union lehnt dieses Modell ab. Ihre RednerInnen scheuten sich während der Debatte jedoch, klare Alternativen aufzuzeigen. Sie halten es für einen Fehler, dass die Regierung die bereits beschlossenen Zuzahlungen zu den Medikamenten wieder zurückgenommen hat. Außerdem lehnen sie die geplante Positivliste für wirksame Medikamente und die strikte Eindämmung der Kosten durch ein Globalbudget ab. Kein einziger Unionsredner getraute sich jedoch zu sagen, dass er stattdessen die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge in Kauf nehmen würde.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Lohmann prangerte lieber das offensichtliche Chaos innerhalb der Koalition an: Das Gesetz sei gegenüber dem Ursprungsentwurf durch 345 Seiten Änderungsanträge „bis zur Unkenntlichkeit verschlimmbessert“ worden. Andrea Fischer hörte sich die Vorwürfe mit ernster Miene an und überließ die Erwiderung ihrem Rivalen, dem SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler. „Egal, wer regiert, den Abgeordneten wird immer brutal viel zugemutet“, sagte Dreßler und gab zu, dass es Streit gegeben habe: „SPD und Grüne haben ohne Einvernehmen den Abgeordneten viel zugemutet.“ Gleich darauf polemisierte er wieder gegen die Union: „Es gibt keinen noch so klitzekleinen Alternativantrag.“ Die Opposition lege sich „einfach auf Grund und spielt U-Boot“.

Gesundheitministerin Andrea Fischer hatte zu Beginn der Debatte einen konkreten Kompromissvorschlag gemacht. Der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen solle alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen, auf dessen Grundlage das Parlament über mögliche Nachschläge für das Globalbudget abstimmen könne. Dieser Vorschlag kommt der Union entgegen, denn er bedeutet eine Fexibilisierung des geplanten Globalbudgets. Die RednerInnen von CDU und CSU gingen nicht darauf ein. Sie bestanden darauf, dass die Gespräche bei null beginnen müssten. Wenn sie diese Haltung in den kommenden Wochen beibehalten, ist Andrea Fischer mit ihrer Reform am Ende.

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