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■ Transit II: Überall Transit
Dieses Auto ist eben Klasse“, sagt mein Vater, und meine Mutter fügt stolz hinzu: „Es ist eben kein Trabant.“ Zum ersten Mal geht es mit dem neuen (Skoda) an die Ostsee. [...] Es ist 1977, und ich gehe in die zweite Klasse. Gegen sechs Uhr morgens sind wir in Karl-Marx-Stadt gestartet, jetzt ist es halb zehn, und meine kleine Schwester muss mal. „Nein, wir halten erst, wenn wir um Berlin herum gefahren sind“, erklärt meine Mutter. Mein Vater meckert: „Es muss doch möglich sein, im eigenen Land einmal anzuhalten.“ Es ist nicht möglich.
Wir sind auf der Transitstrecke, die Westberlin mit der BRD verbindet. Ich weiß nichts über diese Strecke, außer, dass hier jede Menge tolle Autos zu sehen sind. [...] Sie kommen mir vor wie Gefährte aus einer anderen Welt. „In dieser Welt passieren ganz schlimme Dinge“, sagt unsere Lehrerin. [...] Neben uns fährt ein riesiger Wagen. Es ist ein Mercedes, denn er hat einen Stern mit drei Zacken auf dem Kühler. Mein Freund Klaus [...] hat sogar ein Bild von einem Mercedes. Endlich kann ich mir diesen Pkw genau anschauen, Klaus wird staunen. Plötzlich entdecke ich auf dem Rücksitz einen kleinen Jungen, der mir [...] zuwinkt. Ich winke sofort zurück und versuche mit dem Zeigefinger meinen Namen an die Autoscheibe zu malen. Er versucht es ebenfalls, ich glaube, er heißt Jan. Ich freue mich riesig, wir winken immer mehr und machen Faxen. „Hör auf, da hinten herumzualbern!“, schimpft meine Mutter. „Da vorne steht die Polizei!“, warnt mein Vater. [...] Wir können sehen, wie der Mercedes aus der Schlange herausdirigiert wird und der nette Winker mit seinen Eltern aussteigen muss. [...] „Das verstehst du noch nicht“, belehrt mich meine Mutter, als ich wissen will, was das passiert ist. „Ich verstehe es auch nicht“, sagt mein Vater.[...]
Aus einer Leser-Geschichte
von Henryk Frackowiak,
Stuttgart
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