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Identität und Frust

Der Kölner Männerforscher Thomas Gersterkamp liest heute in Hamburg  ■ Von Frank Keil

Wem als Mann seine Rolle nicht immer behagt, der sucht zuweilen nach einem Buch, das beschreibt wie es Männern ergeht, denen ihre Rolle nicht immer behagt. Das diffuse subjektive Unbehagen bildet nun schon seit Jahrzehnten den Ausgangspunkt für vorsichtige Rollenkritik von Männern: für die heranwachsenden Jungen, denen das, was ihnen ihre Väter vorspielen, nicht gerade attraktiv erscheint; für die Väter, die sich zwischen Familien- und Arbeitsleben zerrieben fühlen; und – neuerdings – für die breite Masse der arbeitenden Männer, denen langsam dämmert, dass die vielzitierte Krise der Arbeitsgesellschaft an ihnen nicht vorbeigezogen ist.

Da sehnt man sich nach dem Wochenende, um sich schon am Samstagabend nach dem Montagmorgen zu verzehren. Im Zentrum aller Beschäftigung mit der männlichen Rolle steht dabei eine paradoxe These wie – zuweilen – Erfahrung: Männer sind in diesem Lande noch immer im Vorteil, wenn es um die Zuteilung von Resourcen und die Bewilligung von Chancen geht. Und – gleichzeitig – leiden sie daran und darunter. Das geht sehr schwer zusammen, wie es auch nicht einfach ist, den Preis von Männlichkeit klar und nachvollziehbar zu benennen. Sich ausgebrannt fühlen vom Arbeitsprozess, sich abgetrennt fühlen vom Familienleben – das sind zunächst Gefühlslagen, die zu durchleben nicht gerade zu den angenehmen Dingen des Lebens zählen. Dabei steht am Ende eine simple und berechenbare Erkenntnis: Männer altern schneller, sie geben früher die Löffel ab. Im Durchschnitt acht Jahre eher.

Erschwerend auch das öffentliche Echo auf die Versuche von Männern, sich über ihr Schicksal klarzuwerden, das im Grundsatz der klassischen double-bind-Struktur gehorcht: Männer nehmen sich immer so wichtig! Wenn sich die Männer doch endlich mal wichtig nehmen würden! Dann, ja dann ... So obsiegt zuweilen eine Art seltsamer Trotz in der Männerszene. Wir Männer werden unterdrückt!, heisst es martialisch. Wir Männer müssen uns finden!, etwas versöhnlerischer. Und man zieht los in die nächste Schwitzhütte, anschließend aufgeheizt weiter in den Wald, den Vater in sich und den Vater ausserhalb zu töten. Rein symbolisch, versteht sich.

Einer, der sich in diesem nicht einfachen Feld von subjektivem Empfinden wie Klagen und einer eher abstrakten Analyse von Ursachen und Wirkungen bewegt, ist der Journalist Thomas Gersterkamp. Er ist einer der Männerautoren, der es versteht, in seinen Texten all das miteinander zu verknüpfen, was man sonst in der Männerliteratur so schmerzlich vermisst: Ironie und Schärfe, Nähe und Distanz, dazu eine fundierte Beobachtungsgabe, die, ausgehend vom eigenen Bauchnabel, ihr Material dennoch weit jenseits von ihm findet; und auch den Weg zurück nicht scheut. Zuletzt erschien Hauptsache Arbeit, eine Gemeinschaftsproduktion mit dem Pädagogen und Erwachsenenbildner Dieter Schnack. Eine kluge Replik auf die Krise der Arbeitsgesellschaft als eine Krise der männlichen Identität.

Der Slogan „Hauptsache Arbeit“ – das resignative Grummeln des abgearbeiteten Mannes, dem jeder Hilfsjob immer noch lieber ist, als sich in das Chaos von Haus- und Erziehungsarbeit zu verstricken. „Hauptsache Arbeit“ aber auch als trotziger Schlachtruf, den Wert dessen, was der Mann meint, es mache ihn aus, nicht (auch noch) preiszugeben: seine Arbeitskraft.

Dabei ist den Autoren eines gelungen: die Fäden von der Betrachtung des eigenen Verhaltens zur Analyse des gesellschaftlichen Kontex zu spannen. Ein Verfahren, das in der Männerbewegung noch immer wenig etabliert ist: „Dass Männer bis zum Blödewerden miteinander konkurrieren, mag ein kostenreicher Charakterfehler sein, aber man darf nicht übersehen, dass dieser Charakterfehler innerhalb unseres Wirtschaftssystems gesellschaftlich erwünscht ist und nach Kräften gefördert wird.“

Thomas Gersterkamp liest im Rahmen der FrauenMuseumsGespräche im Museum der Arbeit, heute, 18.30 Uhr

 Zuletzt erschien: Dieter Schnack/Thomas Gersterkamp, Hauptsache Arbeit, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, 286 Seiten, 14,90 Mark

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