■ Nebensachen aus Gizeh: Der Obelisk des modernen Pharao
Ursprünglich dienten die Obelisken den alten Ägyptern als Kultobjekte zur Anbetung des Sonnengottes. Sie pflegten sie so aufzustellen, dass die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen genau auf die mit einer Gold-Silber-Legierung überzogene Spitze fielen. Die Pharaonen nutzten die Obelisken als eine Art Litfasssäule, um für ihre historische Größe zu werben, und ließen sie mit allerlei Reliefs und Hieroglyphen schmücken. Schließlich sollte auch die Nachwelt über die Errungenschaften der jeweiligen Regentschaft nicht im Ungewissen bleiben.
Gute Idee, dachte sich Maher al-Guindi, der Gouverneur von Gizeh-Stadt, besser gesagt: der Ex-Gouverneur. Passend zum Beginn der vierten Amtszeit des gyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ließ er feierlich auf einem der Plätze seiner Stadt einen fünf Meter hohen, 1,5 Tonnen schweren Obelisken aufstellen. Kostenpunkt: umgerechnet eine Viertel Million Mark. Das moderne Kunstwerk sollte in alter Tradition von den Errungenschaften des heutigen Ägypten künden, oder besser gesagt von denen des Präsidenten Mubarak, dessen übergroßes Bild das Objekt zierte. Kurzum: Ein Monument der Huldigung für den gegenwärtigen Pharaoh. Mit besten Grüßen des Gouverneurs von Gizeh.
Nun sind die Ägypter ja gerade seit dem letzten Präsidentschaftsreferendum, in dem Mubarak mit 94 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut für sechs Jahre im Amt bestätigt wurde, einiges an staatlich verordnetem Mubarak-Kitsch gewöhnt. Der Obelisk des Gouverneurs von Gizeh scheint allerdings der Halm gewesen zu sein, unter dem das Kamel dann endgültig zusammengebrochen ist. Die sprichwörtliche Geduld der Untertanen war ein Quentchen zu sehr strapaziert worden.
In der Presse tauchten erste Kolumnen auf, die den neuen Ministerpräsidenten Atef Obeid beschworen, ein nationales „Komitee für guten Geschmack“ zu gründen. Der Unterschied zwischen dem Obelisken des Gouverneurs von Gizeh und denen der alten Ägypter sei wie der Unterschied zwischen einem Eselskarren und einem Rolls Royce, hieß es bissig.
Natürlich ging es in der Kontroverse nur um den Geschmack, über den sich bekanntermaßen streiten lässt. Das Prinzip der präsidialen Anbetung konnte ja wohl kaum in Frage gestellt werden. Am weitesten wagte sich der Kolumnist der ägyptischen Tageszeitung Al-Akhbar vor, als er fragte: „Was sollen wir den Touristen sagen, wenn sie fragen, welcher Pharaoh diesen Obelisken hat bauen lassen?“
Und siehe da, der erste nationale Aufschrei gegen pharaonische Monumente der Gegenwart zeigte Wirkung. Ohne beim Gouverneur von Gizeh anzufragen, verordnete der Kulturminister die sofortige Entfernung des kontroversen Stückes. Allerdings wohl kaum, ohne vorher bei seinem Chef nachgefragt zu haben, ob das auch tatsächlich in Ordnung gehe.
Der Kran kam des Nachts und hob das für die Ewigkeit gedachte Monument in nur einer Viertelstunde vom Sockel. Inzwischen rottet das entehrte Stück unter einer der zahlreichen Nilbrücken vor sich hin. Und wie es der Zufall so will: Als Mubarak vor wenigen Tagen die Liste der neuen Gouverneure veröffentlichen ließ, da fehlte Maher al-Guindis Name. Er war zusammen mit seinem Obelisken gestürzt. Nun muss sich der neue Gouverneur darüber Gedanken machen, was er auf den übrig gebliebenen Sockel stellt. Warum nicht eine Sphinx mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf Mubaraks? Vielleicht doch keine so gute Idee. Karim El-Gawhary
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