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Nach dem Rrrriot

Beats und Business: Das diesjährige Symposium „Musikerinnen & Öffentlichkeit“  ■ Von Barbara Schulz

Wenn Kathleen Hanna (ehemals Bikini Kill, nun Le Tigre) in der aktuellen Spex sagt, alles, was sie künstlerisch produziert, auch zu tun, um sich und ihre Geschlechtsgenossinnen „kreativ zu verteidigen“, zeigt sich, dass sich ein paar Jahre nach der Riot-Grrl-Bewegung die Katze selbst in den Schwanz gebissen hat. Die eine Zeit lang überall gefeierten Mädchen- und Frauenbands sind größtenteils nicht mehr existent und momentan gibt es nur in kleineren Verbänden wie Bands oder DJ-Teams so etwas wie eine funktionierende feministische Arbeit.

Diese Verhältnisse gelten überall – und natürlich auch in Hamburg. Zwar gibt es Kollaborationen zwischen Bands, Musikerinnen und weiblichen DJs. Doch auch diese Projekte wurden meist a priori mit dem „Frauen-Exotenbonus“ bestückt. Entsprechend sexistisch und respektlos wurden die technische Fertigkeiten und immer wieder auch Äußerlichkeiten der jeweiligen Frauen verhandelt. Da wünschte man sich einen anderen Journalismus herbei, einen, der sich zuvorderst mit der Musik befasst hätte, der sachlicher und nicht ausgrenzend formuliert wäre.

Um mehr Frauen für dieses Thema zu interessieren, hat dasFrauenmusikzentrum Hamburg im letzten Jahr das „espressiva“-Symposium ins Leben gerufen. Ging es 1998 um die Präsentation von Musikerinnen in alternativen Printmedien, Musikvideos und die Selbstdarstellung von Bands der „Riot Grrrl“-Bewegung, liegt der Schwerpunkt des diesjährigen, von der Filmemacherin Angelina Maccarone moderierten Symposiums, auf den Arbeitsbedingungen von Frauen im Musikbusiness. Verhältnisse, über die Christiane Rösinger (Britta/Flittchen Records) in der letzten Beute schrieb: „Ganz unten in ihrer Hierarchie steht die Promoterin, die mit männlichen Musikjournalisten am Telefon um Artikel und airplay flirten und nach einem anstrengenden Promotag zwecks Bandbetreuung noch mit Männern in Lederhosen oder Jungs in Rollkragenpullovern in Clubs gehen muss, weil die zu dämlich sind, sich alleine zu amüsieren oder selbständig ein Taxi zu rufen“.

Am Freitag wird die Autorin zusammen mit Bernadette Hengst (BH-Booking, ehemals Die Braut haut ins Auge, nun Bernadette La Hengst) von der Flittchen-Records-Tour zum Stolz & Vorurteil-Sampler berichten. Vorher referieren Musik-journalistinnen (u. a. Conny Lösch von der jungen Welt) darüber, wie sie und ihre Kolleginnen zu mehr Selbstverständlichkeit von Musikerinnen beitragen können und wie ein Musikjournalismus mit höherem künstlerischen Anspruch aussehen könnte. Im Anschluss daran wird, wie nach jedem Vortrag, ein „Coaching“ angeboten, bei dem mit den Referentinnen über das Thema diskutiert werden kann.

Am Samstag ab 10 Uhr geht es um Professionalisierung und Kompetenzerweiterung von Musikerinnen am Beispiel Hamburg, also um Marketingstrategien, Fördermöglichkeiten und die immer wichtiger werdende Präsentation im Internet. Nachmittags ab 14 Uhr wird über Jobs in Plattenfirmen berichtet: Wie funktioniert der berufliche Einstieg, was für Qualifikationen sind nötig und wie sieht der Aufstieg in Indie- und Major-Labels aus? Die hoffentlich zahlreich erscheinenden Teilnehmerinnen haben also genügend Gelegenheit, sich Kenntnisse auf sämtlichen Gebieten des Musikbusiness „ranzuschaffen“ und gleich am darauffolgenden Montag ein neues Leben zu beginnen, sei es als Musikjournalistin, als Label-Frau oder als Gründerin eines globalen Frauen-Musik-Netzwerks, das in den noch von Männern dominierten Feldern Klarschiff macht.

Auf lange Sicht mag das vielleicht dazu beitragen, eine bessere Verständigung zwischen weiblichen und männlichen MusikarbeiterInnen herbeizuführen, die sich nicht nur auf die (halb-)private Ebenen von Bands beschränkt, sondern eben auch ins Arbeitsleben hineinreicht – sei es im Mainstream oder im Underground.

 Fr., 12. + Sa., 13. November, Frauenmusikzentrum, Anmeldungen unter392731

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