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■ Es geschah am helllichten Tag

Am Abend des 9. November 1938 griffen NSDAP-Mitglieder, SA-Horden und ganz normale Deutsche zu Fackeln, Ziegelsteinen und Schlagstöcken. Sie nahmen die Ermordung eines deutschen Botschaftssekretärs in Paris durch einen 17-jährigen Juden zum Anlass für das, was die Nazis als „Reichskristallnacht“ bezeichneten: Über 200 Synagogen, Friedhöfe und tausende Wohn- und Geschäftshäuser von Juden wurden zerstört, 30.000 Menschen verhaftet, mindestens 91 allein in jener Nacht ermordet. Die Mehrheit sah zu. Die Ausschreitungen dauerten noch am helllichten Tag des 10. Dezember an. Zur Begleichung der Schäden mussten die Juden eine Sondersteuer von 1,1 Milliarden Reichsmark zahlen.

20 Jahre zuvor, am 9. November 1918, hatte die Monarchie in Deutschland ihren Bankrott erklären müssen: Kaiser Wilhelm II. dankte ab. Reichskanzler Max von Baden beauftragte den Sozialdemokraten Friedrich Ebert mit der Regierungsbildung, und dessen Parteifreund Philipp Scheidemann sowie der Kommunist Karl Liebknecht riefen in Berlin die Republik aus. Die Nazis schmähten die Sozialdemokraten später als „Novemberverbrecher“, weil sie mit dem Waffenstillstand der Front den „Dolchstoß“ versetzt hätten. Genau fünf Jahre später, 1923, scheiterte Adolf Hitler mit seinem Putschversuch, dem „Marsch auf die Feldherrnhalle“ in München.                          AP

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