Arbeitsmarkt gespalten

Zahl der Arbeitslosen im Oktober leicht gesunken. Im Osten trotz höherer Produktivität keine Besserung  ■   Aus Nürnberg Bernd Siegler

Vor dem Komma steht eine Drei: 3,88 Millionen Arbeitslose im Oktober, das sind 59.900 weniger als im Vormonat. Die aktuelle Arbeitslosenquote beträgt damit „nur“ 9,9 Prozent, das ist der niedrigste Stand seit Juni 1996. Im Westen waren es gar nur 8,2 Prozent, das ist das Niveau vom Herbst 1995.

Grund zum Frohlocken? Nein. Bundesweit liegt die Zahl der Arbeitslosen nur um 8.400 unter dem Vorjahresniveau, und von einem Wachstum der Erwerbstätigkeit kann nach wie vor keine Rede sein. Außerdem sieht es zehn Jahre nach dem Mauerfall in den neuen Ländern immer noch düster aus. 1,29 Millionen Arbeitslose, das entspricht einer Quote von 16,9 Prozent. Unter dem Strich sind im Osten inzwischen knapp 105.000 Menschen mehr ohne Job als noch vor einem Jahr.

Das Fazit, das Bernhard Jagoda, Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), zur Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt zog, fiel denn auch dementsprechend zwiespältig aus. In den alten Ländern sah er „erste Lichtpunkte“ dafür, dass „die konjunkturelle Besserung den Arbeitsmarkt langsam erreicht“. Die neuen Länder befänden sich dagegen „trotz aller Anstrengungen noch in der Umstrukturierung“. Der Arbeitsmarkt käme dort „nicht recht von der Stelle“.

Zwar wuchs in den neuen Ländern die Industrieproduktion weitaus stärker als im Westen, die Exportquote erhöhte sich zudem binnen zwei Jahren von 15 auf 18 Prozent, doch die industrielle Basis im Osten sei eben immer noch „zu schmal“, lautet Jagodas Begründung für die schlechte Arbeitsmarktsituation. Der BA-Präsident hätte auch sagen können, dass die Rationalisierungsinvestitionen sich gravierend in den Arbeitslosenzahlen niederschlagen. Stattdessen aber führte Jagoda den rasanten Anstieg der Produktivität im Osten, die sich von 1991 bis 1997 verdreifacht hat, als Beweis dafür an, „was alles möglich“ sei. „Einen solchen Produktivitätszuwachs weist wohl kein Land der Erde auf.“

Erschwerend für den Arbeitsmarkt Ost kommt hinzu, dass der rasante Arbeitsplatzabbau in der Fertigung vom Erlahmen der bisherigen „Wachstumslokomotive“ Bauwirtschaft flankiert wird. Dort werden derzeit Kapazitäten abgebaut. Negativ wirkt sich auch aus, dass sowohl der öffentliche Dienst als auch die privaten Dienstleistungen weiterhin „unter starkem Anpassungsdruck“ stehen, also in diesen Sparten Arbeitsplätze abgebaut werden.

Ganz anders dagegen im Westen. 2,59 Millionen Arbeitslose im Oktober bedeuten 31.700 weniger als im Vormonat und 113.000 weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Arbeitslosmeldungen von zuvor Erwerbstätigen liegt um 6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Im Vergleich zum Vormonat haben im Oktober allein 7 Prozent mehr Menschen ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung beendet. Die Kräftenachfrage bei unternehmensorientierten Dienstleistungen sowie im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung stieg binnen Jahresfrist um 30 bzw. 25 Prozent. Alles positive Indikatoren für eine in Zukunft günstige Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit – aber eben nur für den Westen.