Reform der EU nimmt Gestalt an

Beschlüsse werden künftig mit Mehrheit, aber nicht mehr einstimmig gefasst. Nach der wirtschaftlichen soll die politische Einheit kommen  ■   Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Die EU-Kommission hat gestern Vorschläge für eine weitere EU-Reform vorgelegt. Nach Ansicht von Politikern und Experten genügt der im Mai in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag nicht den Anforderungen, die im nächsten Jahrzehnt an die Union gestellt werden. Drei große Herausforderungen sieht die Kommission für die Zukunft: Europa muss auch mit zusätzlichen Mitgliedern funktionsfähig bleiben. Es muss dem Risiko vorgebeugt werden, dass die Mitgliedsstaaten auseinanderdriften. Nach der wirtschaftlichen soll nun die politische Einheit erreicht werden. In ihren praktischen Anregungen schließt sich die Kommission im Wesentlichen den Empfehlungen der „drei Weisen“ an, die vor drei Wochen ihren Bericht vorgestellt hatten. Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit sollen im Rat zur Regel werden. Kein Mitgliedsstaat soll in Zukunft die Möglichkeit haben, alle anderen zu blockieren. Als Beispiel nennt das Papier die Bereiche Sozialpolitik und Kultur, wo derzeit einstimmig entschieden werden muss.

Trotz neuer Unionsmitglieder soll die Zahl der EU-Kommissare konstant bleiben. Die großen Länder, die bisher zwei Kommissare nach Brüssel schicken, sollen sich nach der Erweiterung mit einem Vertreter zufriedengeben. Widerstand regt sich bei den Kleinsten, zum Beispiel Luxemburg, die fürchten, künftig gar nicht mehr vertreten zu sein.

Die Kommission betont, dass auch andere Insitutionen wie Parlament, Europäischer Gerichts- und Rechnungshof ihre Zusammensetzung nach Länderproporz und ihre langwierigen Entscheidungsprozesse kritisch durchleuchten müssten. Der Amsterdamer Vertrag legt fest, dass auch in einer erweiterten Union die Mitgliedsländer angemessen im Parlament vertreten sein müssen. Das Europaparlament soll aber nicht auf mehr als 700 Sitze anwachsen.

In seiner Rede vor den Abgeordneten betonte Romano Prodi gestern, das Parlament solle in den Reformprozess eingebunden werden. Anfang nächsten Jahres will die Regierungskonferenz ihre Arbeit aufnehmen und bis Ende 2000 einen überarbeiteten EU-Vertrag vorlegen. Prodi wörtlich: „Das ist unsere letzte Chance, das Haus Europa in Ordnung zu bringen.“

Mit der Einheitlichen Europäischen Akte, mit Maastricht und Amsterdam schaue Europa nun auf fünfzehn Jahre ununterbrochener Vertragsrevisionen zurück. Die aktuelle Reform müsse umfassend sein. Die Bürger hätten genug von ständigen Nachbesserungen.