: Künstler verdrängen Gangster
Dreiband versucht sich vom populären Pool und Snooker als Nobelvariante des Billards abzugrenzen. In Berlin fand bis gestern der Weltcup der Karambolage-Spieler statt ■ Von Markus Völker
Berlin (taz) – Es ist schon ein paar Jahre her, dass der Film „Haie der Großstadt“ in den Kinos lief, genau 38 Jahre. Paul Newman mimt darin den spielsüchtigen Billard-Zocker Eddie Felson, den „Hustler“. Natürlich wird Pool gespielt, die Variante mit den Löchern im Billardtisch. In verrauchten Hinterhofkneipen, im Beisein zwielichtiger Gestalten geht es um hohe Dollarbeträge.
Wie beim Poker kommt es darauf an, den Gegner mit geschicktem Understatement zu täuschen, am Kulminationspunkt des Spiels aber den gesamten Wetteinsatz abzuräumen. Martin Scorsese hat den Roman von Walter Tevis 1986 noch einmal verfilmt und in „Die Farbe des Geldes“ mit Newman und Tom Cruise eine Geschichte von Unschuld und Korruption, Lebenslust und Passivität erzählt. Das sind die Bilder, die über die Leinwand flimmern und in den Köpfen hängen bleiben.
So ist Billard. Oder?
Billard geht auch anders. Die Kunstharzkugeln müssen nicht unbedingt in unterirdische Gänge oder in Netze versenkt werden. Sie können auch auf dem Billardtisch verbleiben und trotzdem Spannung erzeugen. Wie beim Dreiband zum Beispiel. Bis zum Sonntag war diese Variante auf dem Berliner Schloßplatz während des Weltcup-Turniers zu begutachten.
Beim Dreiband liegen drei Kugeln auf grünem Kammgarn. Die angespielte Kugel muss drei Banden berühren, bevor sie das dritte Rund touchiert. Das bringt einen Punkt. Nach 15 erfolgreichen Karambolagen ist ein Satz, nach drei Sätzen ein Match gewonnen.
Es hat seinen Grund, warum Karambolage bisher filmisch nicht auffällig wurde. Das Image ist Schuld. Ephraim Kishon, Satiriker aus Israel, passionierter Dreiband-Spieler und Gast der Weltcup-Veranstaltung, sagt es so: „Die Reputation vom Billard ist meist ruiniert, weil immer Gangster mit in der Spielhalle sind. Aber hier in Berlin sind nur Künstler.“ Kishon, der vorgibt, sein Haus um den Billardtisch herum gebaut zu haben, lobt Dreiband als „den intelligentesten Sport der Welt“, nach Schach vielleicht, räumt er ein. Dann tritt er zu einem Prominenten-Einlagespiel mit dem ehemaligen Gewichtheber Rolf Milser an. Beide schaffen je einen Treffer.
Als Filmtitel für die gesetzestreue Spielart des Billards böten sich dann auch nur vergleichsweise harmlose Slogans an. „Die mit dem Queue tanzen“ oder „Die Farbe des Kammgarns“ vielleicht. Aber das würde niemand verfilmen. Dreiband wäre kein Quotenknüller. Hinzu kommt, dass die Billard World Cup Association (BWA) gar keinen Wert darauf legt, Paul Newman die Chance auf ein weiteres Remake als Eddie zu geben. Vielmehr geht es der BWA, laut Werner Bayer, deren Ehrenpräsident, um die „Darstellung als ein edler Sport“.
1985 wurde die BWA gleichzeitig mit der Vermarktungsagentur Delsa gegründet. Ziel war die Etablierung eines Billard-Zirkus, der den Tennis-Grand-Slam zum Vorbild nahm. In diesem Jahr spielt man nach Seoul, Las Vegas und Berlin in Istanbul sowie im brabantischen Oosterhout.
Bevorzugt wird das Queue in Fünf-Sterne-Hotels geschwungen. Die Spieler tragen das passende Outfit, obligatorisch ist beim Karambol die Fliege. Und sollte das Publikum vom kunstvollen Spiel genug haben, lädt Bayer auch ohne raffinierte Abo-Wetten oder Ähnliches ins Schloss Biesdorf bei Berlin ein, um Radierungen von Günter Grass (statt Tom) begutachten zu lassen.
Überhaupt scheute Werner Bayer keine Mühen, die Nobilität des Dreiband-Billards zur Schau zu stellen. Im so genannten BKA Luftschloss auf dem Schloßplatz, flankiert von Bundeskanzleramt und Palast der Republik, fand er offenbar die passende Location für das Ereignis. In einem Spiegelzelt der Berliner Kabarett-Anstalt sowie einem Zirkuszelt, von Bayer kurzerhand für 900.000 Mark erworben, stieg der Wettbewerb, ausgelobt mit 150.000 Mark Preisgeld. An den Start gingen 32 Vertragsspieler der BWA aus 16 Ländern. Darunter der deutsche Spitzenspieler Christian Rudolph, 34, aus Köln. Rudolph kann in seinem Steckbrief auf 22 Aufnahmen in Folge verweisen, eine stolze Zahl. Den inoffiziellen Weltrekord hält aber immer noch der belgische Altmeister Raimond Ceulemans, (62), ebenfalls in Berlin am Start, mit 28 Dreifach-Karambolagen in Reihenfolge. Gelingen zwei hintereinander, ist das schon ein guter Durchschnitt.
Rudolph, die Nummer acht der Weltrangliste, schied bereits in der ersten Runde des Berliner Turniers gegen die Nummer fünf, den Niederländer Dick Jaspers, aus. Dreiband sei ein sehr kreatives Spiel, das Handwerk und Intuition vereine, sagte Rudolph nach dem frühen Aus. Ob er sich nun vielleicht mit einer Partie Pool entspannen wolle, wird er gefragt. „Nein“, sagt Rudolph. „Pool ist mir zu einfach.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen