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Halbherziger Abschied vom Kronzeugen

Bundesregierung will eine allgemeine Kronzeugenregelung im Strafrecht verankern. Nur im Bereich Terrorismus und Organisierte Kriminalität soll das bestehende Gesetz zum Jahresende auslaufen  ■   Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Die Bundesregierung kann sich nicht von den Kronzeugen trennen. Zwar hatte die Koalition am Freitag ankündigt, das umstrittene Kronzeugengesetz zum Jahresende auslaufen zu lassen. Wie so oft bei Rot-Grün ist jedoch auch auf das Kleingedruckte zu achten. Danach wird eine „Neuregelung im Strafgesetzbuch“ erwogen. Außerdem soll die häufig angewandte Kronzeugenregelung im Drogenstrafrecht bestehen bleiben.

Die gute Nachricht überbrachten am Freitag die Innenpolitiker Ludwig Stiegler (SPD) und Cem Özdemir (Grüne). Zehn Jahre nach seiner Einführung soll das Kronzeugengesetz nicht mehr verlängert werden. Begründet wurde dieser Schritt mit „Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Kronzeugen“. Der in Aussicht gestellte Strafnachlass habe einen „Anreiz zu falschen Verdächtigungen und Denunziationen“ gegeben. Außerdem sei die Ungleichbehandlung mit anderen überführten Tätern „verfassungsrechsrechtlich bedenklich“.

Nach diesen klaren Worten erfolgt in der Erklärung von Stiegler und Özdemir jedoch eine überraschende Wende: „Erwogen wird nun eine Neuregelung im Strafgesetzbuch, mit der die genannten Unzulänglichkeiten vermieden werden.“ Im Bundesjustizministerium weiß man bereits, was damit gemeint ist. „Wenn ein Täter zur Aufklärung weiterer Taten beiträgt, könnte dies auch bei der Strafzumessung berücksichtigt werden“, erklärte ein Sprecher von Herta Däubler-Gmelin. Im Klartext: Die Kronzeugenregelung gälte dann – verankert in Paragraf 46 des Strafgesetzbuches – im gesamten Bereich des Strafrechts.

Entfallen würde nur die bisher kaum genutzte Möglichkeit der Bundesanwaltschaft, einen Täter ohne jedes Gerichtsverfahren zum völlig straflosen Kronzeugen zu machen.

Der Anreiz, mit falschen oder übertriebenen Beschuldigungen die eigene Strafe zu mildern, bliebe aber bestehen. „Nirgends wird so viel gelogen wie vor Gericht“, sagt etwa der renommierte Strafverteidiger Eberhard Kempf, „und vor Gericht wird nirgends so gelogen wie in Betäubungsmittelverfahren.“ Denn im Drogenstrafrecht gibt es schon seit 1982 eine Kronzeugenregelung, mit der die Anwälte überhaupt nicht glücklich sind. Diese bereits einige tausend Male angewandte Regelung gehört in deutschen Gerichtssälen zum Alltagsgeschäft. An eine Abschaffung ist bei Rot-Grün überhaupt nicht gedacht.

Auch dies zeigt, dass Rot-Grün nur auf einen kurzfristigen symbolischen Akt setzt, wenn die Koalition das Kronzeugengesetz Ende des Jahres auslaufen lässt. Die Kronzeugenregelung im Bereich Terrorismus hat bisher zwar viel Diskussionen verursacht, aber keine große Rolle gespielt. Sie wurde 1989 wegen der rechtsstaatlichen Bedenken auch nur auf drei Jahre befristet eingeführt. Verlängerungen gab es 1993 und 1996, in diesem Herbst stand eine neue Bestätigung zur Diskussion.

Die bekanntesten Kronzeugen waren die ausgestiegenen RAF-Mitglieder, die seit den 80er-Jahren in der DDR lebten und dort nach der Wende festgenommen wurden. Doch führten deren Aussagen lediglich zu neuen Prozessen gegen bereits inhaftierte RAF-Mitglieder. Anwendung fand die Kronzeugen-Regelung außerdem noch in einigen Verfahren gegen PKK-Funktionäre.

Im Bereich der Organisierten Kriminalität wurde das Gesetz bislang nur in insgesamt drei Verfahren angewandt. 1994 war die Regelung auch auf diesen Bereich übertragen worden.

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