: Funk-Jazz-Dub aus der Punk-Ecke
■ Die Vorschau: Drei Bands zeigen heute, dass nicht immer drin ist, was drauf steht
In einer Mitteilung des kleinen Plattenlabels, das die vorletzte Sorts-Platte namens „Hawaiian Bronco“ veröffentlicht hat, heißt es: „Die letzte Platte der Sorts wurde 2.300 Mal als CD und 600 Mal als LP verkauft. Das heißt, sie verkaufen Platten!“
Ist ja auch alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Vor allem bei einer Band wie den Sorts aus Washington DC, die heute Abend im Schlachthof auftritt. Die Band bringt ihre Platten auf kleinen Punk-Rock-Labels herraus und hat Stücke von Ornette Coleman und Kool And The Gang in ihrem Repertoire. Und das mit einer musikalischen Geschmeidigkeit, als sei es das Einfachste auf dieser Welt, Funk, Jazz, Dub und Rock mal eben so miteinander zu verschmelzen. Uffta-geeichte Punkrocker haben damit natürlich ein Problem, und die natürliche Klientel solcher Musik findet selten ihren Weg in die dunklen Keller, in denen die Sorts spielen, während der Rest gar nicht weiß, dass es so etwas wie die Sorts überhaupt gibt.
Das scheint die Sorts aber nicht groß zu stören, so gelassen und vordergründig unspektakulär arbeiten sie an ihrer Musik. Das Singen haben sie schon für die dub-orientierte „Hawaiian Bronco“-Platte vom letzten Jahr aufgegeben, wo menschliche Stimmen nur noch in Form von Samples auftauchten. Auf „Contemporary Music“ fehlen selbst diese Reste des Identifikationsfaktors Gesang. Dass die „zeitgenössische Musik“ ihres jüngsten Albums sich aus Quellen speist, die zumindest annähernd so alt sind wie die Musiker selbst, mag den Plattentitel ironisch erscheinen lassen. Allerdings ist „state of the art“-Rock derzeit wahrscheinlich näher am Jazz als je zuvor, jedenfalls befinden sich die Sorts mit ihren facettenreichen Sounds und offenen Strukturen stilistisch durchaus in der Nähe so genannter Postrock-Bands wie Tortoise.
Der Gedanke, Gewalt und Konstrukt zu kombinieren, liegt der Musik von Pendikel zu Grunde. Was den Sorts der Coleman ist der Band aus Osnabrück ihr King Crimson. Es ist wahrscheinlich dieses Wechselspiel von teils bizarrer Schönheit, ausladenden Kompositionen und deren gelegentliche Wendung in ein ganz diesseitiges Lärmbad, das manche Menschen an Neurosis denken lässt. Das trifft aber nur eine Seite von Pendikel, denn wo Neurosis ihre einmal gewonnene Formel stetig repetieren und deshalb auf Kosten ihrer Wirksamkeit immer pathetischer werden, sind Pendikel schlau genug, sich spröde zu geben und vor den Lohn, der den HörerInnen blüht, wenn ein Stück wie „Aeroflot“ sie mit auf die Reise nimmt, haben Pendikel die liebe Mühe zu setzen, die radioverwöhnte Hörer mit allem haben, was nicht 4/4-Tonika-Subdominante-Dominante ist.
12 Kappen Wasser sind nun wirklich nicht zum ersten Mal in Bremen zu sehen, und Auftritte wie der bei der City Crime Control, wo sie den Verkehr Vor dem Steintor zeitweilig zum Erliegen brachten sind schließlich annähernd legendär. Mit ihrer Neigung zu knappen, groovenden Pop-Songs sowie sperrigem Krach machen sie sich eigentlich recht gut auf dem Programm des heutigen Abends. Also nichts wie hin!
Andreas Schnell
The Sorts (s. Foto!) , Pendikel und 12 Kappen Wasser spielen am heutigen Dienstag, 16.11., ab 21 Uhr im Schlachthof, Magazinkeller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen