piwik no script img

ZackZack vom Simpel ins Lido

■  Kaiserslautern bietet Fußballprofis, die woanders mit Alkohol- und Zockerexzessen anecken, sicheres Asyl. Der taz-Goal-Millau: Eine brandaktuelle Wirtshausrecherche für Mario Basler

Mario Basler (30 Jahre/30 Länderspiele), Weißbierfreund und Gelegenheitsfußballer, wechselt fünf Wochen nach der Regensburger Pizzeria-Affäre (Suff, Zocken, Handgemenge) vom FC Bayern nach Kaiserslautern. Hier schnupperte der gebürtige Neustädter 1988/89 mit einem Einsatz erstmals Bundesligaluft. „Ich bin wieder zu Hause“, sagte Basler gestern, „und da gehöre ich auch hin.“

Die Rückkehr ist nicht wirklich überraschend. Passenderweise nahm sie ihren Anfang ebenfalls in einer italienischen Gastlichkeit: Schon am 23. Oktober, beim Gastspiel der Bayern in der Pfalz, plauderte der Wirt der Pizzeria Rosario aus dem benachbarten Hochspeyer damals fahrlässig wenig beachtet aus, Basler habe sich am Abend zuvor bei ihm eingefunden und den Vollzug des Wechsels vermeldet. Das Rosario ist im übrigen Stammkneipe der Lauterer Mannschaft bei Meisterschaftsfeiern.

Was bietet Kaiserslautern einem Basler? Kenner wissen, der Pfälzer Wein hat gerade in den letzten Jahren qualitativ enorm zugelegt und erreicht mit bis zu 14,5 Volumenprozent Alkohol eine bedenkliche Wucht. Der soeben gekelterte 99er Jahrgang ist so reich ausgefallen, dass auch nach Baslers Zuzug kaum Engpässe entstehen dürften. Erlesene Obstbrände mit teilweise exotischen Abfüllungen (Vogelbeeren) runden das vielfältige Angebot ab.

Bei Verletzungen, tragisch häufig bei Mario Basler, drängt sich die berühmte Bad Dürkheimer Traubenkur auf, bei der auch vergorener Rebsaft in therapeutisch großen Mengen das Leid heilt. Das Pfälzer Reizklima, leicht wie Sekt, ist für starke Raucher ein Quell andauernder Gesundheit. Polizeibeamte gelten unter Trinkern als nachsichtig; wenig verbreitet sind Denunziantentum unter Mitzechern und die Neigung, Boulevardblätter mit Sensationserlebnissen zu füttern. Ein Paradies? Umgehend haben wir ein Rechercheteam in die Pfalz geschickt. Hier ist der Guide für Mario:

Kaiserslautern (taz) – Die Stadt hat nicht nur das lauteste Fußballstadion, sondern auch eine der höchsten Kneipendichten in Deutschland. Das heißt: Der durchschnittliche Weg von einer Lokalität zur nächsten ist kaum wo kürzer als hier. Oder: In keiner anderen Stadt kann man bei gleich geringer Laufarbeit so viele Kneipen besuchen wie in Kaiserslautern.

Das bietet Chancen: Gleich nach dem Vormittagstraining, wenn der Körper schlapp und der Durst riesig ist, geht's zum Blitz (Pariser Straße). Eingeborene nehmen hier im Stehen und in uriger Atmosphäre vor dem Kiosk ein „Lauterer Frühstück“ (Schoppen Wein, Marlboro, Underberg) und stellen in hitzigen Debatten die Mannschaft des FCK auf. Zum Mittag trifft man sich im Café am Markt beim Stiftsplatz, sieht und wird gesehen – allerdings auch von König Otto, der hier Hof hält und die Hofpostille Rheinpfalz kontrolliert. Doch keine Panik: Gegen ein passables Salär reichert der einheimische Barkeeper den Kaffee diskret mit hochwertigem Cognac an.

Im Bitburger (Pirmasenser Straße) kann man den Tag gut bürgerlich ausklingen lassen. Was hier gemütlich beginnt, kann durchaus erbaulich werden, denn Wirt und Stammgäste sind gegenüber einer Partie Poker oder 17 und 4 aufgeschlossen (Hinterzimmer!).

Den Abend begrüßen wir im Hannenfass (unsere Empfehlung: größter Bierumsatz der Stadt) in der Altstadt, dem neuesten Stadtviertel Kaiserslauterns. Von hier aus empfiehlt es sich, nach einem alten Brauch mit den Einheimischen „Indianer“ zu spielen, ein beliebter pfälzischer Breitensport. Der Name des Spiels ist Programm: „Vunn äner Kneib in die aner.“ Gleich nebenan – bei schnellem Antritt in ausgetestet sieben Sekunden zu schaffen – warten im Papasote fette Caipirinhas und Margaritas, in Strafraumnähe befinden sich das Simpel (saufen und labern), das St. Martin (fressen und saufen) und das Monokel (herumsitzen und saufen). Im Zwockel (am Tresen herumhängen und saufen) klingt der Abend gemütlich aus.

Nun sind wir breit genug, um uns dem Spitzensport zu widmen. Das Nachtleben beginnt ab 1 Uhr im Gusto am Schillerplatz. Hier tummeln sich die Schönen und Reichen, die am Mittag noch im Café am Markt herumsaßen, hier reüssieren auch die Kollegen, die schon einmal mit Ribbeck telefoniert haben, wie Marco Reich. Es ist an der Zeit, dass sie den neuen Platzhirsch kennenlernen.

Sind die Revierfragen geklärt, kann's richtig losgehen. Top-Disco ist das Riverside im PRE-Park, dort warten pfälzische Weinköniginnen auf Männer von Welt. Dort wird getanzt, gesoffen und geflirtet, bis dass der Morgen graut. Sind die Mädels im Riverside zickig, die Damen im Lido (Moltkestraße) oder der Brooklyn Bar gelten bei Insidern als allzeit willig und sind für ein paar Flaschen Schampus (Hausmarke) zu „jeder Schandtat bereit“, wie ihr „Bekannter“ versichert.

Des Morgens, wenn die Kollegen mit den ersten Dehnübungen an ihrem Hometrainer begonnen haben, chillen wir im legendären ZackZack (Richard-Wagner-Straße) bei ein paar Flaschen Bier, einer Pferdewurst und einem Handgemenge mit einschlägig vorbestraften Musterprolls aus der lokalen Kickboxszene aus. So geht ein Werktag auch im beschaulichen Kaiserslautern gut rum.

Sonntag aber gehört Papi der Familie. Im Spielcasino im nahen Bad Dürkheim soll es sehr familiär zugehen. Nicht nur bei Rehabilitations-Aufenthalten.

Joachim Frisch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen