: Kack Konsumenten
■ Der Den Haager Extrem-Elektroniker I- F macht sich über seinen Erfolg lustig
In der Hauptstadt der Niederlande leben die Ärmsten und Reichs-ten des Landes keine zwei Kilometer voneinander entfernt: Den Haag ist der Sitz des Europäischen Gerichtshofs und eine Art Vorhölle, zumindest für viele Einheimische. Von einem ihrer profilierteren Söhne wurde die von Prestigebauten, EU-Institutionen und ewigen Baustellen bestimmte Stadt als „tot“ und „ausgeraubt“ bezeichnet.
Ferenc, der circa 33 ist und seinen Familiennamen nicht preisgibt, weiß, wovon er spricht. Unter dem Namen Interr-Ferrence oder I-F engagierte er sich zusammen mit dem verbandelten Musiker- und DJ-Kollektiv Unit Moebius Anfang der Neunziger in der überaus aktiven Squatter-Szene Den Haags. Sie spielten zusammen auf Punk vs. Techno-Parties und Ferenc organisierte mit seinem Plattenladen Hotmix im Rücken einen autonomen Vertrieb für ihre, von knarzender und ätzender Härte gekennzeichneten Veröffentlichungen auf Labels wie Bunker, Acid Planet und Viewlexx.
Über mangelnden Zuspruch braucht sich I-f schon lange nicht mehr zu sorgen. Sein kleiner, gleichzeitig nostalgischer wie futuristischer Electro-Gassenhauser „Space Invaders Are Smoking Grass“ machte ihn 1997 zum vielfachen Poll-Sieger und sorgte im Sog der anhaltenden Begeisterung für etwas Aufmerksamkeit seitens der Techno-Presse. Doch I-f zeigte mit seiner darauffolgenden Debüt-CD für das Münchner Label disko B, wieviel ihm Popularität bedeutete: Schon der Titel Fucking Consumer kommunizierte klar und deutlich, dass hier jemand vorsätzlich Sand in die Maschinen streuen wollte – in seine, in unsere und in die der Musik-Mafia.
Nach dem „Hit-Album“ folgte in diesem April das gleichzeitig aufgenommene Konzeptalbum The Man From P.A.C.K. Mit einem Jahr Verspätung veröffentlicht, wirkt das Werk wie der nachgereichte Kommentar oder der versetzte Scherz zum Erfolg. Obwohl manche Melodie ähnliche Qualitäten wie die seines bisher einzigen Hits aufweisen, bekommen sie von I-f einfach nicht den Raum zugestanden, um sich des ganzen Tracks zu bemächtigen. So entsteht eine merkwürdig fragmentierte Melancholie, die in ihrer unaufdringlichen Art viel wirkungsvoller und imaginativer sein kann als alles Mitzusummende. Wie und wohin sich I-f seitdem entwickelt hat, ist am kommenden Sonntag im Pudels zu erleben.
Lars Brinkmann
So, 21. November, 22 Uhr, Golden Pudel Klub
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