: Lieber Radweg als Quartiersgarage
Verkehrsausschuss der Bürgerschaft erforscht Tücken des Anwohnerparkens ■ Von Gernot Knödler
Die Handelskammer macht es sich leicht: „Das Hauptproblem sind die vielen Fahrzeuge der Anwohner“, behauptete ihr Sachverständiger Günter Dorigoni bei einer Anhörung der Bürgerschaft zum Thema Anwohnerparken. Für die AnwohnerInnen solle der Senat Quartiersgaragen errichten und die Strassenparkplätze dem Wirtschaftsverkehr vorbehalten.
Der Verkehrsausschuss hatte das Thema wieder auf seine Tagesordnung gesetzt: Erstens, weil die Einrichtung von Anwohnerparkzonen insbesondere in St.Pauli für heftige Debatten gesorgt hatte. Zweitens, weil die Baubehörde in der Hamburger Strasse und in St.Georg weitere Anwohnerpark-Zonen einrichten will und dies, drittens, aufgeschoben hat, weil der Bund gerade den Rechtsrahmen ändert.
Aus Sicht der Kammer also, könnte das Problem längst gelöst sein. Schliesslich ist ja genug Geld da, worauf der CDU-Verkehrsexperte Bernd Reinert die taz hamburg hinwies: 100 Millionen Mark aus der Stellplatzabgabe könnten für diesen „sehr prüfenswerten“ Vorschlag ausgegeben werden.
Ob Quartiersgaragen dafür die Lösung wären, ist fraglich, denn die Stellplätze dort sind selbst subventioniert teuer. Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass sich viele Autofahrer lieber auf den Radweg stellen, statt noch mehr Geld für ihr Stehzeug auszugeben. Und die Tiefgaragen auf St.Pauli klagen über mangelnde Auslastung. Also Anwohnerparken – vielleicht in Verbindung mit Parkraumbewirtschaftung, wie sie in Hamburg heute schon betrieben wird. Dort können AnwohnerInnen für 60 Mark im Jahr einen Ausweis kaufen, der sie zur freien Parkplatzwahl berechtigt. Alle anderen müssen Parkscheine lösen. In Berlin habe sich der Anteil der freien Parkplätze dadurch von fünf auf 20 Prozent erhöht, sagte Karl-Heinz Winter von der Berliner Verkehrsverwaltung, und der Parksuchverkehr stark abgenommen.
Diese Lösung dürfte auch gut mit dem neuen Bundesgesetz vereinbar sein. Es reagiert auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai 1998, dessen Grundaussage lautet: Fremde dürfen nach geltendem Recht lediglich in einem Gebiet von maximal drei kleinen Strassen vom Parken ausgeschlossen werden. Das Bundesverkehrsministerium und der Deutsche Städtetag tüfteln an einer Lösung, wie dieser Bereich ausgeweitet werden kann. Im ersten Quartal 2000 könnte der Gesetzentwurf fertig sein, heißt es aus Bonn.
In Fortführung der Argumentation des Gerichts wies Michael Lehmbrock vom Deutschen Institut für Urbanistik darauf hin, dass Straßen nicht nur den unterschiedlichen Fraktionen der AutofahrerInnen wie Anwohnern oder Geschäftsleuten gehören, sondern auch Kindern, Spaziergängern und Radfahrern. Für Heike Sudmann griffen deshalb viele Diskussionsbeiträge zu kurz: „Man überlegt überhaupt nicht, wie man weniger Autos schaffen kann“, ärgerte sich die Expertin des Regenbogens.
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