: Funky Stolen Moments
■ Der englische Saxophonist Frank Mead spielte mit seiner gerade geborenen Bremer Band „The Momaniacs“ ein unvergessliches Konzert. Heute Auftritt im Kairo
Woran erkennt man einen wirklich guten Clubauftritt? Daran, dass das ständige laute Geplapper an der Bar nicht mehr stört, sondern erst die richtige „Wirallehierundjetzt“-Stimmung schafft. Dazu muss die Band natürlich durchgängig ein hohes Energielevel halten, was aber „Frank Mead & The Momaniacs“ im Moments keinerlei Probleme bereitete. Der Londoner Saxophonist war schon mit den „Big Town Playboys“ in diesem Club zu Gast gewesen, und zuletzt konnte man ihn in Bremen mit „Bill Wyman's Rhythm Kings“ erleben.
Durch persönliche Kontakte entstand eine Verbindung zur Hausband des „Moments“ um den Gitarristen Peter Apel, und die Ergebnisse von ein paar Übungstunden (zu denen nach eigenen Aussagen auch das Konzert am Dienstag in Osterholz-Scharmbeck gehörte) waren nun im Heim der Hausband zu bewundern.
Der englische Saxophonist, der sich als Begleitmusiker von solchen Stars wie Eric Clapton, Phil Collins, Paul McCartney oder B. B. King einen Namen gemacht hat, genoss es offensichtlich in vollen Zügen, endlich einmal selbst eine Band leiten zu dürfen.
Wenn der jugendlich-ungestüme Organist Alex Seemann sich zu lange in eines seiner Soli vertiefte, wies ihm Mead mit der herzerfrischend drastischen „Kopf-Ab“-Handbewegung wieder den Weg zurück in Lied. Und auch sonst war da ein Bandleader am Werk, der offensichtlich das eine oder andere bei seinen vielen Chefs aufgeschnappt hatte. Die Ansagen hatten genau den richtigen lakonischen Witz, und die Sets waren dramaturgisch klug aufgebaut.
Die Basis des Konzerts war funkiger Soul-Jazz, wie man ihn von den Crusaders, den Brecker Brothers oder David Sanborn kennt. All diese Paten hörte man auch heraus – sei es, weil ihre Kompositionen gespielt wurden, oder weil die Band sich ihren Sound zum Vorbild nahm. Aber nie hatte man das Gefühl, das hier Epigonen etwas kopierten.
Frank Mead hat einen rauen, sehr kraftvollen Ton mit viel Bluesfeeling, und besonders auf dem Altsaxophon – er spielt technisch gleich brillant auf Tenor, Alt und Sopran – hob er jedesmal in seinen Soli ab. Mit einem für einen Engländer unerwartet feurigen Temperament bließ er sich da die Seele aus dem Leib, so dass alle im Moments (selbst die Qasselköppe) beseelt mitschwangen. Am Schönsten flossen Intensität, Sound und musikalischer Geschmack vielleicht bei der Interpretation von Oliver Nelsons „Stolen Moments“ zusammen, das zugleich in seiner ganzen klassischen Schönheit und ungewöhnlich funky gespielt wurde.
Beeindruckend war auch, wie souverän die Band mithalten konnte. Frank Mead hatte ja immerhin sein ganzes bisheriges Leben Zeit gehabt, um seinen Stil zu entwickeln. Aber Apel, Seemann, Bassist Marcus Gnadt und Schlagzeuger Oliver Spanuth gelang es quasi aus dem Stand, kongenial bei ihm einzusteigen.
Rein technisch ist dies bei den durchweg solide ausgebildeten Musikern vielleicht nicht solch eine große Leistung. Aber dass sie auch so genau mit der Stimmung und dem „drive“ von Mead harmonieren konnten, war ein wirklicher Glücksfall.
Ein unvergesslicher Auftritt im Moments. Wer ihn verpasst hat, muss nicht traurig sein. Denn „Frank Mead & The Momaniacs“ spielen nochmals heute Abend im Waller „Kairo“. Wer da nicht kann, hat am Samstag eine weitere Gelegenheit zum Konzertbesuch im Jazzclub Minden. Und wer auch das verpasst, dem ist schlicht nicht zu helfen. Wilfried Hippen
Weiteres Konzert heute, Freitag, um 21 Uhr im Kairo
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