piwik no script img

Asyl-Knast: Anwälte drohen mit Klagen

■ Wenn die Politik nicht eingreift, wird die Abschiebehaft in der Vahr die Gerichte beschäftigen / ParlamentarierInnen in Nöten

In vier Tagen soll der umstrittene Abschiebehaft-Trakt am Vahrer Polizeipräsidium in Betrieb genommen werden. Dagegen protestierte gestern vor der Bürgerschaft die Gruppe „Grenzenlos“, indem sie – analog zur Zellenausstattung – weiße Fliesen mit der Aufschrift „hygienisch abgeschoben“ an Abgeordnete ausgab. Anlass ist der heutige Besuch von Mitgliedern des Ausländerausschusses der Bürgerschaft im Vahrer Abschiebetrakt. Der Neubau hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil er statt Fenstern Glasbausteine, statt Tapete weiße Kacheln an den Wänden hat. Doch dass die Visite der Abgeordneten Verbesserungen bringt, wie sie der Bremer Anwaltsverein, die Initiative „Grenzenlos“, die „Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter“, das Bremer Gesundheitsamt, sogar Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) und zuletzt der Bremer Juraprofessor Johannes Feest gefordert haben, scheint unwahrscheinlich. Auf die Frage jedenfalls, was der Besuch bringen kann, zucken selbst SPD-Abgeordnete nur die Schulter.

„Da hat die Innendeputation bei der Planung nicht aufgepasst“, sagt die SPD-Abgeordnete Barbara Wulff. An deutliche Änderungen glaubt sie nicht. Teure Nachbesserungen seien angesichts von Bremens Finanznot wohl unrealistisch. Parteikollegin Renate Möbius sagt: „Am besten, man lässt das jetzt so. Allerdings wollen wir eine bessere Betreuung durch Sozialarbeiter.“ SPD-Parlamentsneuling Gule Iletmis dagegen setzt – wie der einzige Grüne im Ausschuss, Matthias Güldner, – darauf, „dass Fenster rein- und die Kacheln wegkommen.“ Sie glaubt: „Wer die Zellen gesehen hat, ändert vielleicht seine Meinung.“ Annedore Windler (CDU), wird ihre Meinung aber erst heute bilden, sagt sie. CDU-Mann Oppermann ist derweil sicher: „Die Ausschussmitglieder werden ernsthaft diskutieren.“

Diskussion allein reicht manchen nicht. Der Bremer Anwaltsverein jedenfalls macht in einem – seit drei Wochen unbeantworteten – Schreiben an Polizeipräsident Rolf Lüken klar, dass es Klagen gegen den Abschiebegewahrsam in seiner jetzigen Form geben wird. Er betont, dass Abschiebungshaft lediglich sichern solle, dass Abschiebungen tatsächlich durchgeführt werden können. „Sie darf deshalb keine Elemente beinhalten, die über den Freiheitsentzug hinaus zu einem Vollzug unter –verschärften Bedingungen' führen.“ Doch das neue Gebäude erwecke „den Eindruck eines Hochsicherheitstraktes“. Die Anwälte erinnern daran, dass das Bremer Landgericht bereits 1995 rügte, dass der Erlass über den Bremer Polizeigewahrsam keine baulichen Mindeststandards vorschreibe. Folge sei offenbar die jetzige Bauausführung, die ohne Einbeziehung von Experten geschah. „Nach unserem Verständnis entsprechen die Räume in ihrem jetzigen Zustand nicht den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung.“

Ähnliches schrieb auch der Strafrechtler Feest an Bürgermeister Henning Scherf (SPD): „Die Haftbedingungen in der neuen Anstalt liegen deutlich unterhalb der Standards, die für neu eingerichtete Justizvollzugsanstalten akzeptabel wären.“ Er betont: „Im Vergleich verschlechtert sich jetzt die Lage der Gefangenen.“ Hauptargument: „Der Umzug in die Neue Vahr wird die öffentliche Kontrolle der Abschiebungshaft drastisch reduzieren.“ Anstaltsbeirat und RechtsberaterInnen hätten hier weniger Zugang. ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen