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Viel Platz für andere Lehrerbilder

betr.: „Die Wut der Schüler“, „Viel Anlass, wütend zu sein“, taz vom 12. 11. 99

[...] Zu verurteilen ist die indirekte Kommentierung der Mordtat von Meißen genauso wie eine damit auch ausgedrückte Verharmlosung möglicher Wiederholungstaten.

Natürlich muss im Zusammenhang mit Bad Reichenhall und Meißen über alle Ursachen von Gewalt geredet werden, aber bitte nach einer Schamfrist und auf einem anderen Niveau. An vielen Schulen wird seit mehreren Jahren über Gewaltprävention geredet und wird Gewaltprävention längst praktiziert. Darüber ausführlich zu berichten (statt möglicherweise Vorurteile aus der eigenen Schulzeit zu gefährlicher Munition zu formen), das wäre ein konstruktiver Beitrag zur Gewaltprävention.

Von wissenschaftlicher Seite liegen mehrere neue Studien zum Thema Gewalt an Schulen vor, die selbstverständlich den Anteil „der“ Lehrer auch untersuchen. Informieren Sie doch darüber und stellen Sie die Diskussion so auf eine sachliche Grundlage; wechselseitige Schuldzuweisungen tragen nur zur Eskalation bei. Die Informationen, die das Interview mit der Lehrerin und dem Lehrer enthält, reichen als Grundlage für eine sachliche Diskussion nicht aus. Und dass „die fatale Rolle repressiver Lehrer“ heute nicht mehr in dem Maße wie vor 20 Jahren thematisiert wird, wie Ihr Interviewer einwirft, könnte auch damit zusammenhängen, dass es deutlich weniger „repressive Lehrer“ gibt.

Mit den Bildern von gestern und vorgestern im Kopf ist die heutige Wirklichkeit nicht zu erfassen: Zwischen „Professor Unrat“ und dem „Lehrer Dr. Specht“ ist noch viel Platz für andere Lehrerbilder. [...] Eine genaue Analyse tut Not! Norbert Pfaff, Königstein

„Viel Anlass, wütend zu sein“ das mögen neben vielen anderen Menschen auch Schüler haben; aber sie haben noch lange keinen Freibrief, „gewalttätig zu sein“. Und es sollte auch eine Vorsitzende eines Bundesausschusses der GEW nicht erstaunen, „dass in den letzten Jahren in einer Stadt wie Berlin kein einziger schwerer Angriff auf Lehrer stattgefunden hat“.

Einerseits liest sich solches Erstaunen bereits als Anstiftung zur Gewalt, ist doch der Ausgangspunkt des Gesprächs der Mord an einer Lehrerin, deren in dem Interview nicht einmal gedacht wird. Andererseits weiß auch Frau Kleff, dass „man dieser Gesellschaft eine bestimmte zivilisatorische Entwicklung zugute halten“ muss, die die meisten Zeitgenossen schlicht daran hindert, jeden meuchelmörderischen Gedanken flugs in die Tat umzusetzen. So bleibt man nach allen Seiten offen!

Die Frage seitens der taz nach dem Tyrannenmord ist ja einfach nur pennälerhaft doof, der Hinweis auf die Diskussion über strukturelle Gewalt dagegen sicherlich richtig; übersehen wird dabei jedoch, dass diese Diskussion vielen der damals Beteiligten nicht geholfen hat, die Morde der RAF oder die penetrante Militarisierung der DDR-Gesellschaft – gerade auch durch die Schule – zu verurteilen, geschweige denn zu verhindern. [...] Günther G. Kuhring, Hamburg

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