: Gleiche Chancen für grüne Karrieros
betr.: „Zauberwort Strukturreform“,taz vom 16. 11. 99
Der neue männlich-grüne Begriff von Chancengleicheit: Perspektivisch nur noch die Hälfte der jetzigen Mandate plus keine Frauenquote macht gleiche Chancen für grüne Karrieros.
Im Ergebnis ist Christoph Nick trotzdem zuzustimmen. Auch eine weibliche Zehnerspitze wäre nicht aus dem Schatten des heimlichen Parteivorsitzenden herausgekommen. Die Quote gehört daher genau dahin, wo andere urgrüne Ideen wie Unbequemlichkeit, Streitkultur und Systemveränderung gelandet sind: auf den Müllhaufen der Ideale. Strukturanpassung nennt mensch das.
Während grüne Amts- und MandatsträgerInnen sich die Zeit mit Strategiepapieren und Strukturdiskussionen vertreiben, wendet sich die noch verbliebene Basis gelangweilt und angeekelt von dem Gehaue um Pöstchen und Einfluß ab. Nick sagt, jeder Mann, der die Frauenquote bei den Grünen diskutieren will, ist politisch tot. Hoffentlich. Denn wer als Bündnisgrüner keine anderen Sorgen hat, sollte sie in seiner Männergruppe diskutieren. Stefan Busche, Bielefeld
Endlich hat es jemand auf den Punkt gebracht: „Die strukturelle Benachteiligung eines Geschlechts ist einer demokratischen Partei unwürdig“, weshalb die Frauenquote bei den Grünen schleunigst abgeschafft werden sollte.
Glücklicherweise hat Grün mit Rot schon während der Koalitionsverhandlungen nach den von Herrn Nick reklamierten Grundsätzen gehandelt, und es hat nicht die Reservierung von Regierungsposten für Frauen einen fairen und demokratischen Wettbewerb verhindert. Sonst hätten womöglich statt der Ideen und politischen Durchsetzungskraft der Herren Fischer und Trittin (leider vergaß Herr Nick noch das wichtige Kriterium der inhaltlichen Kompetenz zu erwähnen) weibliche Geschlechtsmerkmale den Ausschlag gegeben, und wir hätten statt dessen eine völlig inkompetente, ideenlose und durchsetzungsschwache Frau zum Beispiel als Umweltministerin gehabt, die immer der Atomlobby nachgegeben hätte. Welche Blamage für die rot-grüne Regierung!
Oder mann stelle sich gar eine ideenlose und durchsetzungsschwache Außenministerin vor. Sie hätte gar nicht das grüne Wahlprogramm in Bezug auf die Ablehnung militärischer Mittel zur internationalen Konfliktlösung umsetzen können, sondern hätte statt dessen die grüne Fraktion und Partei auf den Nato-Kriegskurs einschwören müssen. Unvorstellbar, was das für Einbrüche in der Wähler- und Wählerinnengunst hätte geben können!
Glücklicherweise wurden diese grünen „Altlasten“ bei der Regierungsbildung nicht berücksichtigt, so dass es jetzt nur ein kleines Kommunikationsproblem bei der Vermittlung der politischen Umsetzung grüner Programmatik gibt. Dieses Problem werden die Herren Fischer, Trittin, Kuhn, Schlauch und Nick ohne die völlig überholte Frauenquote bestimmt leicht lösen können. Doch vielleicht sollte bedacht werden, dass Frauen im Allgemeinen größere Kommunikationskompetenz als Männern zugesprochen wird. So könnte es sinnvoll sein, das Kind, sprich die Frau nicht mit dem Bade auszuschütten und – selbstverständlich im fairen und demokratischen Wettbewerb – zumindest die Ideen und die Durchsetzungskraft von zum Beispiel Frau Röstel und Frau Müller weiterhin zu instrumentalisieren.
Monika Domke, Köln
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