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■ Gebrauchsinformation: Die Abtreibung mit der Pille Mifegyne
Ab heute können Kliniken und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen dürfen, Mifegyne bei der Vertreiberfirma ordern. In einigen Bundesländern kann sich die Lieferung verzögern: In Baden-Württemberg gibt es zum Beispiel kein Zulassungsgesetz, die Ärzte brauchen für einen Abort keine amtliche Genehmigung. In diesen Ländern müssen die Abtreibungsärzte zunächst eine Bestätigung bei ihrer Ärztekammer anfordern. Erst dann können sie Mifegyne bestellen.
Indiziert ist Mifegyne für eine Abtreibung vom Tag des positiven Schwangerschaftstests an bis zum 49. Tag nach der letzten Regelblutung. Der Wirkstoff Mifepristone bewirkt, dass das Schleimhaut-Nest für die befruchtete Eizelle abgebaut wird. Sie kann sich nicht weiter entwickeln und stirbt ab. Ein zweites Medikament, ein Prostaglandin, bewirkt zwei Tage später die Austreibung der Frucht, ähnlich wie bei der Regelblutung.
Verabreichen darf das Medikament nur eine dafür zugelassene Einrichtung. Nach einer Schwangerenkonfliktberatung, einer gynäkologischen Untersuchung und einer ausführlichen ärztlichen Beratung nimmt die Patientin dreiTabletten Mifegyne ein. Zwei Tage später werden 0,4 Milligramm eines Prostaglandins verabreicht. Etwa drei bis vier Stunden später kommt es in der Regel zum Ausstoßen der Frucht. In Einzelfällen kann die Reaktion bis zu 24 Stunden auf sich warten lassen.
Neben verschiedenen Gegenanzeigen wie Asthma, hoher Blutdruck, Herzinsuffizienz oder Anämie ist Vorsicht geboten bei Raucherinnen, die älter als 35 sind. Nach der Einnahme des zweiten Medikaments, des Prostaglandins, kann es zu Nebenwirkungen kommen: Übelkeit, Durchfall, Erbrechen. Oft treten Bauchschmerzen auf, die sich zu wehenartigen Krämpfen steigern können.
Nach dem Abbruch können bis zu zehn Tage lang Nachblutungen auftreten. Als Komplikationen werden starke Blutungen genannt. Es kann Restgewebe in der Gebärmutter verbleiben. Dann ist eine nachträgliche Ausschabung nötig.
Ein großer Vorteil gegenüber der chirurgischen Abtreibung besteht darin, dass die Frucht noch nicht auf dem Ultraschall lokalisierbar sein muss, man kann sehr früh abtreiben. Die Gebärmutter kann nicht verletzt werden. Das Gefühl, dem Arzt/der Ärztin ausgeliefert zu sein, ist nicht so groß, da man die Pille selber einnimmt. Die Patientin kann und muss mehr Verantwortung übernehmen, denn sie erlebt die Abtreibung bewusst mit – und das drei Tage lang. Sie sieht den abgetriebenen Fötus. Das kann eine Möglichkeit sein, die Abtreibung besser zu verarbeiten. Nachteil: Man kann die Verantwortung nicht abgeben oder mit einem Arzt teilen. Auch wenn sich das psychologisch nicht sehr korrekt anhört – es gibt eine Menge Menschen, die besser fahren, wenn sie Dinge erst mal eine Weile verdrängen können oder gar nicht so genau wahrnehmen. oes
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