piwik no script img

Klassisches Powergemüse

Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 23: Kurz gegart und ohne fette Beilage ist Grünkohl gesund  ■ Von Karen Schulz

In Oldenburg wachsen Palmen. Allerdings nicht die großen, die man aus südlichen Ländern kennt – wegen seiner Blattform wird der in dieser Region beliebte Grünkohl als „Oldenburger Palme“ bezeichnet.

Diese Kohlsorte ist ein Kraftpaket erster Güte: Die aus dem Mittelmeerraum stammende, aber heute vorwiegend in Nordeuropa angebaute Pflanze muss sich selbst vor der winterlichen Kälte schützen und enthält deshalb eine Vielzahl von hilfreichen Vitalstoffen. Das perfekte Trio gegen freie Radikale, die Vitamine A, C und E schützen uns vor Erkältungen, Gefäßerkrankungen, rheumatischer Arthritis und Krebs. Grünkohl liefert außerdem Kalium, Calzium, Magnesium und Eisen, Folsäure, Niacin, Jod und die B-Vitamine 2 und 6, und dies in so beachtlichen Mengen, dass mit regelmäßigen Grünkohlgerichten in der Winterzeit der Körper vor Infektionskrankheiten geschützt und eine gründliche Krebsvorsorge geleistet werden kann.

Aber nur, wenn der Kohl nicht allzu lange kocht: Die traditionelle Zubereitung dieses Powergemüses resultiert beispielsweise in der Gegend um Braunschweig in einem Gericht mit dem Namen „Braunkohl“. Die intensive grüne Farbe der Blätter ist dabei durch stundenlanges Schmoren zu einem unappetitlichen Braun mutiert. Ebenfalls traditionell gibt es zum Braunkohl Brägenwurst, die unter anderem Hirn enthält. Das klassische Grünkohl-Essen in Oldenburg und Bremen heißt „Kohl und Pinkel“, letzeres ist eine Grützwurst mit Rinderflomen. Beiden Gerichten gemein ist, dass der Kohl mit viel tierischem Fett – von Schmalz über Speck bis hin zu fetthaltigem Fleisch – zubereitet wird. Dadurch wird der Grün- oder Braunkohl so schwer und gehaltvoll, dass er mit einem gesunden Gemüse nicht mehr allzu viel gemein hat.

Um das typische Grünkohlaroma richtig genießen zu können, sollen die Blätter vor der Zubereitung einmal durchgefroren werden. Wer Grünkohl bereits vor dem ersten Frost kochen möchte, legt ihn deshalb für wenige Minuten ins Gefrierfach. Durch die Kälte wird der Stärkegehalt in den Blättern in Zucker umgewandelt und der Kohl schmeckt süßlicher und aromatischer, zudem wird das Zellgewebe lockerer und bekömmlicher. Leider geht durch das Gefrieren jedoch ein Teil des ungewöhnlich hohen Vitamin C-Gehaltes verloren.

Dieser wird durch langes Kochen weiter vermindert. Daher empfiehlt es sich für die Gesundheit, Grünkohl schonender als in den traditionellen Rezepten zuzubereiten. Zum Dünsten eignet sich ein Schnellkochtopf, der mit hohen Temperaturen und kurzer Garzeit arbeitet. Echte Fans der knackigen Blätter schwören auf kurzes Blanchieren und essen den Kohl sogar als Salat – dessen herber Geschmack jedoch gewöhnungsbedürftig ist.

Um die Garzeit generell kurz zu halten, sollten die Blätter gründlich vorbereitet werden. Dazu entfernt man die dicksten Blattrippen, die besonders lange brauchen, um weich zu werden und außerdem Blähungen verursachen. Wer den Kohl, wie im Rezept rechts, lediglich im Topf zusammenfallen lässt und dann isst oder ihn noch kurz im Ofen überbackt, rettet eine ganze Reihe der Vitamine auf den Teller hinüber.

Dass Grünkohl auch als vegetarisches Gericht eine Köstlichkeit ist, mag für Braunkohl-Anhänger vielleicht einem Sakrileg nahekommen, erweitert jedoch im Winterhalbjahr den Speiseplan für eine fleischarme oder –lose Ernährung um ein geniales Kraftpaket.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen