: Hoher Einsatz gegen Bremer Gewalttäter
■ Bremen macht deutlich: Gewalt gegen Frauen wird nicht akzeptiert / Allen voran mahnt SPD-Bürgermeister Henning Scherf: Das Gewalttabu in dem Fall muss weg
Landeschef Henning Scherf (SPD) betritt Neuland: Der Präsident des Bremer Senats macht sich künftig auf großen Plakaten landesweit gegen Beziehungsgewalt stark. Seine Beteiligung an dieser Aktion unter Federführung der Landesfrauenbeauftragten „habe ich weder mit meiner Frau noch mit meinem Koalitionspartner abgesprochen“, scherzte Scherf gestern vor der Landespressekonferenz im Rathaus. Er betonte zugleich, dass er nur für Fußballstar Rudi Völler „eingesprungen“ sei. Dieser habe sich – offenbar auf Drängen von Beratern – im Zusammenhang mit der Aktion nicht zeigen wollen. Im Laufe dieser Woche wird also Scherfs ernste Miene plakatiert, darunter: „Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache. Genauso wird sie auch verfolgt.“
Gewalt gegen Frauen ist Regierungssache, könnte es auch heißen – denn heute will der Senat alle Ressorts beauftragen, bis März 2000 Präventionskonzepte zum Thema „häusliche Gewalt“ zu erstellen. Die Koordination soll bei der Landesfrauenbeauftragten Ulrike Hauffe liegen, die betonte, dass Bremen sich bereits in der Koalitionsvereinbarung verpflichtet habe, an der europaweiten Kampagne gegen Gewalt teilzunehmen.
Hauffe unterstrich gestern außerdem, dass es bei der jetzigen Kampagne nicht nur um „notwendige Sensibilisierung der Öffentlichkeit“ gehe. Vielmehr, so rechnete die Landesfrauenbeauftragte vor, habe Gewalt gegen Frauen auch teure Folgen. So seien Bremens rund 140 Plätze in Frauenhäusern durchgehend zu knapp 90, zeitweise zu über 100 Prozent belegt. Zwei der Einrichtungen erhalten jährlich 1,7 Millionem Mark Zuschuss. Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums entstehen so bundesweit rund 20 Milliarden Mark an jährlichen Folgekosten.
Vergleichsweise wenig von diesen Ausgaben fließt an Beratungseinrichtungen, die Opfern wie Tätern Hilfe bieten. So arbeitet der Bremer Verein „Neue Wege“, dessen Beratungstelefonnummern die aktuelle Kampagne flankieren, vor allem mit dem Geld von privaten Firmensponsoren. Die Frauenbeauftragte zeigte sich aber optimis-tisch, dass der Verein auch im kommenden Jahr weiter arbeiten – und eine erhöhte Nachfrage bewältigen könne, die zu erwarten sei.
Die Verfolgung von häuslicher Beziehungsgewalt ist bislang schwierig. Das bestätigte gestern die Staatsanwältin im Sonderdezernat. Von 800 Anzeigen aus dem Bereich „häusliche Gewalt“ mündeten letztes Jahr nur 25 Prozent vor Gericht – auch deshalb, weil die geschlagenen Frauen sich oft als Zeuginnen entziehen oder die Anzeige zurücknehmen. „Manche, um die Beziehung zu retten“, wie es heißt. Trotz einer Empfehlung der Justizministerkonferenz, Taten häuslicher Gewalt im öffentlichen Interesse zu verfolgen, respektiere man die Haltung der Frauen. „Besonders bitter“ sei dies bei Wiederholungstätern.
Unbekannt ist in Bremen derzeit noch, wie eine zum Monatsende angekündigte Initiative der Bundesjustizministerin aussehen soll. Diese hatte betont, Hausverbote für den Prügelgatten erleichtern zu wollen. Ein Vorstoß der Bremer SPD, das so genannte „Wegweisungsrecht“ im Polizeigesetz zu verankern, ist indessen noch zwischen und innerhalb der Parteien umstritten (taz v. 20.11.) Dennoch ließ Polizeipräsident Rolf Lüken gestern keinen Zweifel daran, dass er es befürworte, den diskutierten Hausverweis für Täter gesetzlich zu erleichtern. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen