: Holzgeschirr und Hundehalsband
■ Ein Versuch über das alltägliche Leben im Mittelalter, wie zufällig zusammen-gestückelt: Das Helms-Museum stellt die Geschichte der Hamburger Burgen aus
Hamburgs Keimzelle ist nicht etwa, wie man denken könnte, der Hafen, sondern eine Burg: Anstelle einer sächsischen Befestigung ließen die karolingischen Kaiser Karl „der Große“ und Ludwig „der Fromme“ Anfang des 9. Jahrhunderts einen Ringwall mit Holzbauten errichten: die Hammaburg – ein Außenposten ihres zusammeneroberten Reiches, der auch die erste Kirche des Missionsbischofs Ansgar schützen sollte. Der Bau wehr-hafter, befestigter Wohnsitze blieb während des ganzen Mittelalters aktuell; zuerst wegen der Slawen und Wikinger, dann wegen der Konkurrenz zwischen den Erzbischöfen von Hamburg-Bremen einerseits und den sächsischen beziehungsweise holsteinischen Herzögen andererseits.
Ab dem 13. Jahrhundert traten die bürgerlichen Stadtbewohner, an ihrer Spitze die Kaufleute, auf den Plan, verdrängten geistliche wie weltliche Landesherren und schufen zur Sicherung ihres Handels Außenposten, die sie zum Teil den umliegenden Adligen abnahmen: an der Elbmündung den Turm auf Neuwerk und das Schloss Ritzebüttel (heute Cuxhaven), im Südosten das Bergedorfer Schloss. Diese drei bilden – neben dem am Speersort ausgegrabenen Fundament des Wohnturms des Erzbischofs Bezelin aus dem 11. Jahrhundert – die eindrucksvollsten noch sichtbaren Zeugnisse hamburgischer mittelalterlicher Wehrbauten.
Die Burgen-Ausstellung im Helms-Museum, eine Dependance der großen Kunsthallen-Ausstellung Die Kunst des Mittelalters in Hamburg, wartet naturgemäß nicht mit prunkvollen Altären auf. Ihr Schwerpunkt liegt in dem Versuch, das Alltagsleben der BurgbewohnerInnen anhand archäologischer Fundstücke zu veranschaulichen. Da sieht man etwa Holzgeschirr aus der herzoglichen Neuen Burg, eine spätmittelalterliche Blockflöte aus Ritzebüttel oder ein eisernes Hundehalsband vom Falkenberg in Neugraben. Wegen der mangelhaften Forschungs- und Fundsituation wurden Objekte aus anderen norddeutschen Burgen und aus Hamburger Altstadtgrabungen hinzugezogen. Daneben wird die wissenschaftliche und künstlerische Beschäftigung mit den Hamburger Burgen seit dem 19. Jahrhundert dokumentiert.
Die Beschriftungen sind angenehm knapp, aber informativ gehalten, zeitgenössische Bildquellen veranschaulichen den Gebrauch der ausgestellten Gegenstände. Deren Auswahl wirkt allerdings recht zufällig und wenig systematisch. Vor allem aber leidet die gesamte Ausstellung unter einer unklaren Anordnung. Manches Mal sucht der Besucher das, was die Schrifttafel beschreibt, vergebens in der dazugehörigen Vitrine – es findet sich statt dessen am entgegengesetzten Ende des Raumes. Das verstärkt den zusammengestückelten Eindruck. Und gerade in einem Museum mit archäologischem Schwerpunkt fällt es unangenehm auf, wenn unsichere Rekonstruktionen nicht hinterfragt, sondern als gesicherte Fakten präsentiert werden.
Jakob Michelsen
„Die Kunst des Mittelalters in Hamburg. Die Burgen“, Helms-Museum, Harburg, Museumsplatz 2, Di – So 10 –17 Uhr, bis zum 5. März 2000; der Katalog kostet 28 Mark (im Buchhandel 38 Mark)
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