: Wie es ihm gefällt
■ Save the planet, kill yourself: Chris Korda und seine Kirche der Euthanasie im Maria
Sein Publikum hat Beunruhigendes zu erwarten: Wenn Chris Korda am heutigen Abend im Maria am Ostbahnhof auftritt, dann wird er gleichzeitig auch um das Ableben der Versammelten bitten – der Erde zuliebe. Dabei wird er dann freundlich und verbindlich unter seiner Perücke und hinter seiner Sixties-Brille hervorlächeln und irgendwie aussehen wie Heinz Rühmann als „Charleys Tante“. Allerdings ist bei Korda das Crossdressen ohne sexistische Albernheiten zu verstehen, lediglich in der Auswahl der konservativen Kleider blitzt Ironie auf.
Dieser Mann will nicht als „Mann“ verstanden werden. Das System „Mann“ ist Korda verleidet, da der Mann der größte Vernichter von Lebewesen ist. Und gerade diese Vernichtung der Erde gilt es zu stoppen. „Save The Planet – Kill Yourself“ ist das Motto der von ihm gegründeten Church Of Euthanasia, der Korda als Reverend vorsteht. Diese in den USA anerkannte religiöse Gemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die permanente Ausbeutung der Natur durch den Menschen zu beenden. Das Versprechen, sich nicht fortzupflanzen, ist dementsprechend die Bedingung zur Aufnahme in die Kirche, andere Voraussetzungen muss man nicht erfüllen.
So tingelt Korda übers Land und verteilt Aufkleber, auf denen er höflich bittet, das nächste Mal, wenn man betrunken Auto fährt, sich doch einfach nicht anzuschnallen. Und wie alle aktiven Veganer vergleicht er flapsig die Massentierhaltung mit dem Holocaust. Und diskutiert durchaus ernsthaft darüber, ob der Holocaust als Methode zur Verringerung der Menschheit tauge. Das ist antisemitisch und dumm, und der von Korda angeführte Verweis, er selbst sei Jude, hilft ihm da nicht. Korda inszeniert via Medien geschickt Provokationen und Aktionen („Boring Propaganda doesn't work“ ist ein anderes Motto), glaubt aber im Grunde an ein „ursprüngliches“ und unvermitteltes Leben. Dass diese Idee jedoch selbst eine mediale Fantasie ist, fällt ihm nicht auf.
Die Mängel allerdings, die der Theoretiker und Aktionskünstler Korda aufweist, hat der Musiker Korda nicht. Seine an Pink Floyd oder Art-Rock geschulte Elektrosounds sind einerseits wunderschön verspielt, andererseits durch die Verwendung von Sprachsamples aus seiner Kirche tatsächlich Meisterleistungen moderner Propaganda. Wer sich also nicht um Kordas Politik schert, kommt auf seine Kosten. Wie es Korda gefällt, wird es heute Abend alles andere als langweilig.
Jörg Sundermeier ‚/B‘ Ab 22 Uhr, mit EgoExpress und DJ Koze, Maria am Ostbahnhof
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